Kolonialismus begegnen.
Dezentrale Perspektiven auf die Berliner Stadtgeschichte.
Online-Portal: www.kolonialismus-begegnen.de

Kolonialistische Spuren in Spandau


Als im Mai 2021 mit dem Projekt begonnen werden konnte, war die große Befürchtung, kaum etwas zu finden, das die bis 1920 noch eigenständige Stadt Spandau mit dem deutschen Kolonialismus spezifisch verbindet. Der eigene blinde Fleck, der durch die systematische Marginalisierung der deutschen Kolonialgeschichte noch immer den wissenschaftlichen Blick trübt, spielte dabei eine große Rolle. In den Sinn kamen zunächst die überall gleichen Kolonialwaren-Schilder, Gedanken wie „Vielleicht irgendwelcher Korallen-Schmuck in einem Familiennachlass?“, „Im Archiv gibt es sowieso kaum Dokumente dazu.“, „Die viel bemühte Nadel im Heuhaufen wird einfacher zu finden sein.“ Die im Folgenden präsentierten Forschungsergebnisse der freien Wissenschaftlerin Cornelia von Heßberg zeigen stattdessen, dass das Gegenteil der Fall ist: Mit der durch die Förderung des Bezirkskulturfonds „Aufarbeitung der Kolonialgeschichte an den Berliner Bezirks- und Regionalmuseen“ mögliche systematische Forschung sind innerhalb weniger Monate bereits so viele Themenstränge zutage getreten, dass eine Weiterführung des Projektes in jeder Hinsicht gewinnbringend sein wird.

Diese Broschüre war ursprünglich nur als kurzer Forschungsbericht gedacht, um den erforderlichen Beleg für die Grundlagenforschung zu erbringen. Jetzt ist daraus bereits ein kleines Nachschlagewerk entstanden, das für verschiedene vertiefende Projekte genutzt werden kann. Es haben sich auch einige vorläufige Sackgassen ergeben, wie zum Beispiel die Verquickung des Kolonialismus mit der privaten und militärischen Wirtschaftsgeschichte Spandaus. Da müsste vor allem mit dem Firmenarchiv Siemens oder dem Militärarchiv Freiburg auf eine Art zusammengearbeitet werden, die pandemiebedingt so noch nicht möglich ist (die Archivplätze sind auf Monate ausgebucht). Dafür haben sich ausgerechnet biographische Ansätze ergeben, die sowohl für die Einbindung in Ausstellungsprojekte als auch für Veröffentlichungen nachhaltig genutzt werden können, um die Kolonialgeschichte für ein breites Publikum zugänglich zu machen. Eine Idee, die Eingang in eine der Spandauer Dauerausstellungen finden soll, ist dabei eine vielleicht mögliche Gegenüberstellung von Erlebnissen einer Weißen Spandauerin, die eine Zeitlang in „Deutsch-Südwest-Afrika“ (Namibia) war, und einem Schwarzen Spandauer, der ursprünglich aus Kamerun stammte und als Widerstandskämpfer dorthin zurückkehrte. Auch ein Perspektivwechsel bezüglich der nur selten wahrgenommenen Kolonialisierung asiatischer Gebiete ist nach wie vor ein für Spandau wichtiges und durch diese ersten Forschungsergebnisse unterstütztes Thema. Das wichtigste bereits begonnene Projekt in diesem Zusammenhang ist die Neukonzeption einer Dauerausstellung zum Thema Festungs- und Militärgeschichte in Spandau, in der kolonialistische Zusammenhänge von Anfang an mitgedacht und sichtbar gemacht werden.
Zudem könnten auch die erarbeiteten und weiter zu vertiefenden Erkenntnisse in die Dauerausstellung „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“ einfließen – nicht nur, wenn (endlich) ein eindeutig kolonialverbrecherisches Denkmal wie der sogenannte „Hererostein“ aus dem öffentlichen Raum entfernt und kontextualisiert im Museum ausgestellt werden könnte. Auch die bisherigen Medienstationen können mit entsprechenden Bezügen nun wissenschaftlich fundiert erweitert werden.

Aber auch die Überarbeitung der Stadtgeschichtlichen Dauerausstellung wird auf Grundlage der Forschungsergebnisse ermöglicht sowie eine verbesserte Provenienzforschung im Sammlungsbestand. Des Weiteren ist eine gegenseitige Unterstützung der Bezirke und der ebenfalls zum Thema Kolonialismus forschenden Initiativen bereits erfolgt und befördert die bereits etablierte Zusammenarbeit. Für die Spandauer Bildungs- und Vermittlungsarbeit wird diese Broschüre bzw. Ergebnisse daraus in den Antirassismuswochen im März 2022 das erste Mal direkt nutzbar gemacht, wobei auch eine regelmäßige Zusammenarbeit mit anderen Bildungseinrichtungen angestrebt ist.

Es ist der intensiven und trotz aller pandemiebedingten Widrigkeiten hervorragenden Arbeit Cornelia von Heßbergs sowie dem Team des  Stadtgeschichtlichen Museums mit Carmen Mann (Sammlungsleiterin) und Sebastian Schuth (Archivleiter) zu verdanken, dass die im Folgenden zu lesenden Ergebnisse in der vorliegenden Form präsentiert werden können.

 

 

Dr. Urte Evert, Januar 2022

 

ORT
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
HEUTE

Zitierangaben:
WordPress › Fehler

Es gab einen kritischen Fehler auf deiner Website.

Erfahre mehr über die Problembehandlung in WordPress.