»Völkerschauen« im Berliner Lunapark

In den Jahrzehnten um 1900 waren sogenannte »Völkerschauen«, die Zurschaustellung »exotisch« anmutender Menschen ein beliebtes Sujet der Vergnügungskultur: Zoos, Panoptiken oder Vergnügungsparks zeigten einem zahlenden Publikum vor aufwendig gestalteten Kulissen vermeintlich authentische Inszenierungen des alltäglichen Lebens von Menschen anderer Länder und Kulturen.

 

Die Straße von Kairo

An den Pfingstfeiertagen 1911 eröffnete eine neue Attraktion im Berliner Lunapark: die Straße von Kairo mit „85 Eingeborenen aus dem Nillande“.[1] Der Berliner Lunapark lag am Ufer des Halensees am Ende des Kurfürstendamms. Er war der beliebteste Vergnügungspark Berlins mit einem vielfältigen und abwechslungsreichen Programm, das diverse Rummelplatzvergnügungen wie Karussells, Rutschbahnen oder Schießbuden mit einer gepflegten Grünanlage und einem großzügigen Terrassenrestaurant verband.[2] Auch sogenannte »Völkerschauen«[3] gehörten zum jährlichen Programm des Lunaparks, vor allem vor dem Ersten Weltkrieg wurden sie mit großem Aufwand inszeniert und beworben.

Der Sommer 1911 stand am Halensee im Zeichen des »Orients«. Das Berliner Tageblatt schrieb bereits vor der Eröffnung der Straße von Kairo: „Dem Potsdamer Bahnhof entstiegen gestern […] mehrere Gruppen exotischer Gestalten […]. Das Ziel dieser dunkelfarbigen Gäste, unter denen manch stattliche Erscheinung, war der Lunapark, wo dicht am See eine ganze Stadt aus dem Boden geschossen ist.“ Einen Sommer lang sollten diese Menschen nun „nach Landesbrauch leben und sich selbst ihre Speisen zubereiten“.[4]

Die Straße von Kairo war innerhalb weniger Tagen „als ein Märchen von Rabitz und Zement aus dem märkischen Sande hervorgezaubert“ worden, wie es ein Journalist formulierte.[5] Die Bauausführung lag in Händen der Berliner Firma Hugo Baruch & Co, die Kostüme, Kulissen und Requisiten für Theater, Zirkus und Vergnügungsplätze herstellte und ihre Produkte international vertrieb.[6] Die Kairo-Kulisse am Halensee bestand unter anderem aus einer Moschee, einem Kaffeehaus, einem Derwisch-Tempel und einer Bazarstraße mit kleinen Läden, in denen Händler und Handwerker wie Drechsler und Töpfer ihre Waren anboten. Um das Leben in der Straße von Kairo noch bunter zu gestalten, traten Gaukler und Zauberer auf. Selbst ein »Harem« durfte nicht fehlen – was genau man sich darunter vorstellen kann, verraten die Quellen jedoch nicht.

Die Straße von Kairo war keineswegs eine Berliner Erfindung. Bereits seit Ende der 1860er Jahre gehörten Kairo-Schauen gewissermaßen zum Standardprogramm jeder größeren (Welt-)Ausstellung. Es gab sie auf den Pariser Weltausstellungen 1867, 1889 und 1900, auf der Wiener Weltausstellung 1873, in Chicago 1893 und in St. Louis 1904. Auch in Berlin hatte es im Rahmen der Gewerbeausstellung 1896 in Treptow bereits eine ägyptische Schaustellung gegeben. Aufsehen erregte damals insbesondere die 30 Meter hohe Kopie der Cheopspyramide, deren Spitze die Besucher:innen mithilfe eines modernen Aufzugs erreichen konnten.[7]

Dem Bau der Straße von Kairo im Lunapark war 1911 ein langwieriger Genehmigungsprozess vorangegangen. Die Berliner Baupolizei sorgte sich um die Feuersicherheit der Anlage, insbesondere angesichts der „bekannten Unvorsichtigkeit der exotischen Völker“.[8] Erst als der Lunapark einen Bauantrag mit Bauten aus nicht brennbarem Rabitz-Putz vorlegte, wurde die Attraktion im Mai 1911 genehmigt.[9] Zwar sei die Anlage „sehr trefflich den ägyptischen Vorbildern in Architektur und in der grellen Farbe nachgebildet“.[10] Aber die Kürze der Zeit, in der die Bauten der Straße von Kairo errichtet worden waren und die kulissenhafte Bauweise aus Drahtputz gaben auch Anlass für Spott: „Alles aber sieht noch etwas zu neu aus, die echten Kostüme unwahrscheinlich sauber, und in den Duft des Orients mischt sich der Geruch frischer Oelfarbe.“[11] „Rabitz auf maurisch“, hieß es im Berliner Tageblatt.[12]

Kongo im Lunapark

Während der Authentizitätsanspruch der Straße von Kairo 1911 von der Presse ironisch kommentiert wurde, bemühte sich die »Völkerschau« des folgenden Jahres um Ernsthaftigkeit. Angekündigt wurde Kongo als die „interessanteste Völkerschau, die Berlin je gesehen“ habe[13] und sie zeige, so die Vossische Zeitung, „unsere neuesten Landsleute“.[14] Der weltpolitische Hintergrund der Schau war das Marokko-Kongo-Abkommen vom 4. November 1911 zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich. Darin verzichtete Deutschland auf politische Ansprüche in Marokko, sodass die zweite Marokkokrise beigelegt werden konnte. Im Gegenzug übergab Frankreich Teile seiner Kolonie Französisch-Äquatorialafrika an das Deutsche Reich. Der hinzugewonnene Herrschaftsbereich wurde der deutschen Kolonie Kamerun zugeschlagen, die nun bis an den Kongo heranreichte.

Aus diesem „vormals französischen, jetzt deutschen Kongogebiet“ kamen circa 80 Frauen, Männer und Kinder in den Berliner Lunapark.[15] Da die Kongo-Schau neue deutsche »Untertanen« präsentierte, gab sich die Presseberichterstattung wissenschaftlicher und politischer. In einem Artikel im Berliner Tageblatt hieß es: Man könne nun „den eigentümlichen Charakter“ des Familienlebens der Menschen „studieren“. Daher sei es gut, „daß man der Truppe alle Bewegungsfreiheit ließ, denn so benehmen sich unsere schwarzen Landsleute ganz ungezwungen“ und zeigten im Lunapark die „charakteristischen Merkmale ihres heimatlichen Lebens.“[16]

Die Berichterstattung zeigt, wie selbstverständlich auch liberale Zeitungen rassistische Welt- und Menschenbilder transportierten. Zuschreibungen vermeintlich kollektiver Eigenschaften der ausgestellten Menschen waren allgegenwärtig: „Sie machen einen verhältnismäßig intelligenten Eindruck“, urteilte die Vossische Zeitung.[17] Noch deutlicher wurde die Wilmersdorfer Zeitung, die ihre Einschätzung mit Vorschusslorbeeren für die deutsche Kolonialpolitik verknüpfte. Die Kolonisierten seien ein „prächtiger, kräftiger Menschenschlag von nicht unbedeutender Intelligenz, die es unter der strammen deutschen Zucht wohl zur Gesittung und großen Brauchbarkeit für die menschliche Gesellschaft bringen“ würden.[18]

Eigentlich war es per Runderlass des Reichskanzlers seit Mai 1900 verboten, Menschen aus den überseeischen Besitzungen des Deutschen Reiches nach Deutschland zu holen. Hintergrund des Verbots waren Befürchtungen, die zumeist rein kommerzielle Zurschaustellung von »Kolonialuntertanen« würde den kolonialen Gedanken eher Schaden zufügen. Stattdessen würden die ausgestellten Menschen in europäischen Städten schlechten Einflüssen ausgesetzt, die sie nach ihrer Rückkehr in ihre Gemeinschaften tragen könnten.[19] Die Kongo-Schau des Lunaparks konnte 1912 vermutlich nur stattfinden, weil die Übergabe des neuen Herrschaftsgebiets an das Deutsche Reich noch nicht abgeschlossen war.[20]

Die Zurschaugestellten und das Publikum

Die Geschichte der großen kommerziellen »Völkerschauen« in Deutschland, die durch international agierende Impresarios wie Carl Hagenbeck oder Carl Gabriel organisiert wurden, wird seit Längerem wissenschaftlich untersucht. Aber erst in jüngster Zeit ist ein Perspektivwechsel zu beobachten, der die ausgestellten Menschen in den Mittelpunkt der Forschungen rückt. So ist es zum Beispiel gelungen, einiges über die Teilnehmer:innen der Berliner Kolonialausstellung herauszufinden, die 1896 im Rahmen der Berliner Gewerbeausstellung in Treptow stattfand.[21]

Die Berliner Kolonialausstellung 1896 wurde mit besonderem Aufwand geplant und durchgeführt – sie war die zentrale Werbeschau der deutschen Kolonialverwaltung und der kolonialen Wirtschaft. Deswegen liegen über diese »Völkerschau« vergleichsweise viele Quellen und Dokumente vor. Die Quellenlage zu den kleineren und rein kommerziellen Schauen ist jedoch sehr viel dürftiger. Auch über die Frauen, Männer und Kinder, die zu den »Völkerschauen« in den Berliner Lunapark gebracht wurden, liegen nur wenige und von rassistischen Stereotypen strotzende Quellen vor. Weder sind die Namen der ausgestellten Menschen bekannt, noch was ihnen die Schausteller für ihre Teilnahme versprachen. Auch wissen wir nicht, wie ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen im Vergnügungspark aussahen und wie sie Deutschland oder Berlin wahrnahmen.

Mit Hilfe der vorliegenden Quellen und Forschungen einfacher zu beantworten ist die Frage, was die Besucher:innen an den »Völkerschauen« faszinierte. Erstens boten sie eine Differenzwahrnehmung. Das vermeintlich »Exotische« wurde als Kontrast und Differenz zum Eigenen wahrgenommen. Je deutlicher das Bild einer fremden Kultur gezeichnet wurde, desto klarer meinten viele zeitgenössische Betrachter:innen, die eigene Kultur zu erkennen. Der Besuch einer »Völkerschau« war damit keineswegs ein eskapistischer Ausflug in eine andere Welt, sondern ein Modus zur Selbstfindung und -vergewisserung. [22]

Auf einer zweiten Ebene boten »exotische« Ensembles eine Loslösung vom Raum und damit ein Reiseerlebnis in Zeiten des aufkommenden modernen Tourismus. Um 1900 wurde das Reisen immer mehr zur identitätsstiftenden Freizeitbeschäftigung der oberen Gesellschaftsschichten. Die Vergnügungsparks boten Möglichkeiten, fremde Länder und Kulturen kennenzulernen, ohne zu reisen. Gleichzeitig trugen sie mit ihren Inszenierungen auch dazu bei, dieses Bedürfnis überhaupt zu wecken und – wenn man es sich leisten konnte – durch eine reale Reise zu befriedigen.[23]

Der Reiz der »Völkerschauen« lag – drittens – darin, dass echte Menschen ausgestellt wurden, die lebten und miteinander interagierten. Sie erzeugten beim Publikum eine starke Neugier. Die damit verbundene Erniedrigung, die die Ausgestellten „oft erlitten, war, ob beabsichtigt oder nicht, anscheinend unvermeidlich und war für diese Spektakel ebenso notwendig, wie die an Gestellen befestigten Fassaden oder die Scharen neugieriger Zuschauer“.[24]

Eine Episode aus einem zeitgenössischen Roman von Julius Stinde, die auf der Berliner Kolonialausstellung 1896 spielt, schildert die Neugier des Publikums, die Respektlosigkeit gegenüber den ausgestellten Menschen und die damit verbundenen Schamgefühle: „Es war eine Mutter vor einer Hütte. Sie saß im Grase und spielte […] mit ihren Kleinen. Die jauchzten vor Lust und das junge Weib strahlte vor Glück. […] Wir gebildeten Europäer standen an dem Gehege und sahen zu. Manche riefen Redensarten, die sie gottlob nicht verstanden, aber mir schien, als wenn die Frau unter ihrer Wangenschwärze erröthete, wenn den Schnodderigkeiten wieherndes Gelächter folgte. Sie erhob sich und blickte die Weißen an. Was sie wohl dachte? Dann nahm sie ihre Kinder an die Hand und verzog sich in die Hütte. […] ‚Die wären richtig weggegrault‘, sagte Onkel Fritz. ‚Haben sie dir gefallen, Erika?‘ – Seine Frau schwieg. Nach einer Weile sprach sie: ‚Die Frau that mir so leid.‘“[25] Die Faszination, das Befremden, die Neugier und die Hemmungslosigkeit angesichts der als „anders“ wahrgenommenen Menschen sind in zahlreichen Schilderungen überliefert.[26]

Mit der Betrachtung realer Körper eng verbunden ist die vierte Ebene der Faszination. Die »Völkerschauen« evozierten in hohem Maße erotische Bilder und Klischees und zwar bezogen auf beide Geschlechter. Die in den Kairo-Schauen angekündigten Bauchtänzerinnen und Harems beflügelten die Fantasie männlicher Beobachter. Die »orientalischen« Frauen wurden einerseits als sexuell anziehende Verführerinnen wahrgenommen, andererseits aber auch als potenziell versklavte Opfer unzivilisierter, männlicher Gewalt imaginiert. Das Motiv, nach dem ein westlicher Held eine Haremsdame heldenhaft rettet und aus den Fängen von Sklavenhaltern entführt, war weit über den Groschenroman hinaus populär.[27]

Immer wieder finden sich in zeitgenössischen Quellen zudem Berichte über angebliche Affären zwischen ausgestellten Männern und europäischen Besucherinnen. Anlässlich der »Völkerschau« des Lunaparks 1910, dem sogenannten »Somalidorf«, beklagte ein Polizeibeamter den „Mißstand“, dass die ausgestellten Männer „eine große Anziehungskraft auf gewisse weibliche Kreise der Großstadt ausübten“, wodurch es zu „unliebsamen Szenen im Somalidorf“ gekommen sei.[28] Eine andere Zeitung behauptete sogar, dass ein „besonderes Polizeiaufgebot“ dafür sogen müsse, „daß unsere Damen aus dem vornehmen Westen mit ihrem Liebeswerben bei unseren schwarzen Mitmenschen nicht zu stürmisch ‚drangehen‘.“[29] Ein Schreiben der Polizei Schöneberg-Wilmersdorf relativierte zwar diese Übertreibungen der Presse: Durchaus „unzutreffend sind vor allem die Ausführungen […] über angeblich ‚unbeschreibliche Szenen‘, die sich nach der Dämmerung in den Ecken und Winkeln des Dorfes abspielen sollen“. Aber dennoch bemerkte der Polizeibeamte, es sei „leider eine Tatsache“, dass „zuweilen weiße Frauenspersonen für männliche Schwarze ein recht auffallendes Interesse zeigen“.[30]

Befürchtungen über erotische Kapriolen der Damenwelt waren sehr wirkmächtig und eng verknüpft mit rassistischen Vorurteilen. Hier artikulierten sich zum einen männliche Kontrollverlustängste angesichts angeblich potenterer Konkurrenz aus Übersee. Zum anderen war der Topos der Liebschaften zwischen »Exoten« und Europäerinnen Ausdruck von Projektionen zu weiblicher Sexualität, die als potenziell ungezügelt galt und deswegen im Zaum gehalten werden müsse. Rassistische und sexistische Vorurteile verbanden sich zu einer hochgradig unerfreulichen Gemengelage.

Oft wurde den »Völkerschauen« – fünftens – ein Bildungsgehalt zugesprochen. Sie wurden als Möglichkeit angesehen, andere Kulturen auf anschauliche und jedermann leicht zugängliche Weise kennenzulernen. Die vorgebliche Authentizität der Darstellungen galt als Garant, die zentralen Merkmale einer anderen Kultur zu erfassen. Entsprechend fachmännisch lesen sich Zeitungsberichte von Autoren, die sich nach dem Besuch einer »Völkerschau« offensichtlich in die Lage versetzt fühlten, ethnologisch fundierte Urteile zu fällen. Ein Besucher etwa formulierte einen Völkervergleich auf Grundlage des Besuchs der beiden »Völkerschauen« im Lunapark 1910 und 1911: „Hat schon im Vorjahre das Somalidorf eine große Zugkraft ausgeübt, so ist mit dieser neuen Attraktion dem Lunapark der Clou gegeben worden, zumal die prächtigen Araber, Sudanesen und ihre Stammesgenossen viel mehr zivilisiert sind, als die Somalis waren, und zum Teil sich in deutscher Sprache radebrechend verständigen können.“[31]

Auch seitens der Wissenschaft gab es Interesse an »Völkerschauen«. Der Berliner Arzt, Anthropologe, Prähistoriker und Politiker Rudolf Virchow setzte sich beispielsweise für die Nutzung der ausgestellten Menschen zu Studienzwecken ein und gab mitunter sogar „Bestellungen“ für besonders interessante Völker bei Impresarios auf.[32] Anlässlich der Somalischau des Berliner Lunaparks wurden Tonaufnahmen der Afrikaner angefertigt.[33] Das größte Interesse hatten Anthropologen, lieferten die Schauen doch Studienmaterial für anthropologische Messungen und Vergleiche.

Die »Völkerschauen« gaben sich zwar gerne eine Aura der Wissenschaftlichkeit, vor allem aber dienten sie – sechstens – der Bestätigung stereotyper Vorstellungen der Betrachter:innen. Die vermeintliche Authentizität wurde generiert, indem die „gezeigten Menschen den Klischees entsprechend“ dargestellt wurden.[34] Selbst wenn die Zuschauer:innen die Inszenierungen und Zurschaustellungen von Menschen ablehnten, fand auch bei ihnen kein „wirkliches Überdenken der Stereotypen statt“, bei aller „Kritik und allem Mitfühlen blieben auch die Kritiker den Stereotypen ihrer Zeit verhaftet“.[35]

Für die ausgestellten Menschen waren die Schauen harte Arbeit unter ungewohnten Bedingungen mit festem Terminplan und unter ständiger Observation einer gaffenden Öffentlichkeit. Im Publikum jedoch setzten sich die rassistischen Bilder fest, sie gehörten zur alltäglichen Vergnügungskultur dazu wie Würstchenbuden oder Blasmusik. Das abschließende Zitat aus einem Zeitungsartikel zur Straße von Kairo illustriert die beiläufige Selbstverständlichkeit, mit der »Völkerschauen« das Bild der „Anderen“ prägten: „Und zwischen Kaffee und Abendbrot genießt hier der Berliner die Wunder des Orients.“[36]

provided by Charlottenburg-Wilmersdorf

Eine vom Lunapark vertriebene Ansichtskarte zeigt die Kulissenstadt Straße von Kairo sowie einige der darin ausgestellten Menschen, Berlin 1911, Ansichtskarte, Archiv Museum Charlottenburg-Wilmersdorf.

Mit diesem Plakat warb der Berliner Lunapark für seine Kongo-»Völkerschau«, Berlin 1912, Veranstaltungsplakat, Druckgraphik, Hans Neumann, bpk / Deutsches Historisches Museum / Sebastian Ahlers.

Anlässlich der Kongo-Schau des Lunaparks 1912 behauptete der Autor des Zeitungsartikels, zu dem die Abbildung gehört, dass die „eleganten Ladies“ der Berliner High Society sich im Lunapark „austobten“ und mit den ausgestellten Männern „kokettieren“ würden. Illustration in: Elegante Welt, Nr. 01, 1912, S. 7.

Johanna Niedbalski

ORT

Kurfürstendamm 124a

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Zitieren des Artikels

Johanna Niedbalski: »Völkerschauen« im Berliner Lunapark. In: Kolonialismus begegnen. Dezentrale Perspektiven auf die Berliner Stadtgeschichte. URL: http://kolonialismus-begegnen.de/geschichten/voelkerschauen-im-berliner-lunapark/ (25.02.2022).

Literatur & Quellen

[1] Anzeigen des Lunaparks. In: B. Z. am Mittag. 01.06.1911.

[2] Zum Lunapark vgl. Niedbalski, Johanna: Die ganze Welt des Vergnügens. Berlin: 2018. be.bra wissenschaft verlag.

[3] Der Begriff »Völkerschauen« wurde eher im Nachhinein im Kontext der Forschung über die Zurschaustellung »exotischer« Menschen üblich. Im zeitgenössischen Kontext gab es eine Vielzahl verschiedener Begriffe, neben »Völkerschau« auch z. B. Schaustellung, Ausstellung Karawane oder Dorf, Vgl. Schwarz, Werner Michael: Anthropologische Spektakel. Zur Schaustellung „exotischer“ Menschen, Wien 1870–1910. Wien: 2001. Turia + Kant. S. 9.

[4] Kairo im Lunapark. In: Berliner Tageblatt. 02.06.1911. In einigen Publikationen wird der Ägypter Mohamed Soliman als Organisator der Straße von Kairo angegeben. Soliman lebte seit 1904 in Berlin und arbeitete im Berliner Unterhaltungsgewerbe, war u. a. Zauberkünstler, Kinobesitzer und Direktor des Passage-Panoptikums. In den vorliegenden Quellen aus dem Lunapark gibt es jedoch keine Belege für eine Tätigkeit Solimans im Vergnügungspark. Vgl. Kamel, Susan: Hamidas Lied. Die 100 Jahre einer Muslimin an der Spree. In: Kröger, Jens/Heiden, Désirée (Hg.). Islamische Kunst in Berliner Sammlungen. 100 Jahre Museum für Islamische Kunst in Berlin. Berlin: 2004. Parthas-Verlag. S. 180ff.

[5] Kairo am Halensee. In: B. Z. am Mittag, 06.06.1911. Rabitz ist die Bezeichnung für einen Drahtputz, erfunden vom Berliner Maurermeister Carl Rabitz.

[6] Vgl. etwa Watzka, Stefanie. Baruch, Sliwinsky & Co. Serielle Theaterproduktion an der Wende zum 20. Jahrhundert. In: Kreuder, Friedemann/Hulfeld, Stefan/Kotte, Andreas (Hg.): Theaterhistoriographie. Kontinuitäten und Brüche in Diskurs und Praxis (Mainzer Forschungen zu Drama und Theater 36). Tübingen: 2007. Francke. S.151ff.

[7] Vgl. Krug, Carl. Offizieller Führer durch die Special-Abtheilung Kairo der Gewerbe-Ausstellung. Berlin: 1896. Verlag des kleinen Journalisten.

[8] Schreiben des Brandinspektors Dannehl, 18.03.1911. Landesarchiv Berlin (LAB), B Rep. 209 Nr. 871.

[9] Vgl. diverse Bauanträge, Zeichnungen, Ablehnungen und Genehmigungen vom Frühjahr 1911.  LAB, B Rep. 209 Nr. 871.

[10] Kairo im Lunapark. In: Berliner Tageblatt. 02.06.1911.

[11] Luna-Park. In: Berliner Morgenpost. 07.6.1911.

[12] Kairo im Lunapark. In: Berliner Tageblatt. 02.06.1911.

[13] Anzeige des Lunaparks: In: Berliner Tageblatt. 01.06.1912.

[14] Der Lunapark. In: Vossische Zeitung. 04.05.1912.

[15] Der Lunapark. In: Vossische Zeitung. 04.05.1912.

[16] Saisonbeginn im Lunapark. In: Berliner Tageblatt. 05.05.1912.

[17] Der Lunapark. In: Vossische Zeitung 04.05.1912.

[18] Der Lunapark. In: Wilmersdorfer Zeitung. 04.05.1912.

[19] Vgl. Dreesbach, Anne: Gezähmte Wilde. Die Zurschaustellung „exotischer“ Menschen in Deutschland 1870–1940. Frankfurt a. M./New York: 2005. Campus-Verlag. S. 269–279.

[20] Die tatsächliche Übergabe des weitgehend »unerschlossenen« Gebiets erfolgte in vier Etappen ab Oktober 1912.

[21] Vgl. Ausstellung zurückgeschaut | looking back im Museum Treptow. https://www.berlin.de/museum-treptow-koepenick/ausstellungen/artikel.649851.php. (Zugriff am: 01.11.2021)

[22] Für diese Interpretationen war Edward Saids Studie zum Orientalismus bahnbrechend. Vgl. Said, Edward: Orientalismus. Frankfurt a. M.: 2009. S. Fischer. Vgl. auch Benninghoff-Lühl, Sibylle: Die Ausstellung der Kolonisierten. Völkerschauen von 1874–1932. In: Harms, Volker (Hg.): Andenken an den Kolonialismus. Tübingen: 1984, Attempo-Verlag. S. 52ff.

[23] Vgl. Geppert, Alexander C. T.: Fleeting Cities. Imperial Expositions in Fin-de-Siècle Europe. Basingstoke: 2010. Palgrave Macmillan. S. 245ff.

[24] Mitchell, Timothy: Die Welt als Ausstellung. In: Conrad, Sebastian/Randeria, Shalini (Hg.): Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften. Frankfurt a. M./New York: 2002. Campus-Verlag. S. 150. Vgl. auch Schwarz 2001: S. 15.

[25] Stinde, Julius: Hôtel Buchholz. Ausstellungs-Erlebnisse der Frau Wilhelmine Buchholz. Berlin: 1897. Verlag von Freund & Jeckel. S. 203f.

[26] Vgl. etwa Dreesbach 2005: S. 150ff.; Besser, Stephan: Schauspiele der Scham. Juli 1896: Peter Altenberg gesellt sich im Wiener Tiergarten zu den Aschanti. In: Honold, Alexander/Scherpe, Klaus S. (Hg.): Mit Deutschland um die Welt. Eine Kulturgeschichte des Fremden in der Kolonialzeit. Stuttgart/Weimar: 2004. Metzler. S. 200ff.

[27] Berühmt ist z. B. Karl Mays Roman Durch die Wüste, in dem der Protagonist eine Frau aus dem Harem befreit. Auch Baron Mikoschs’s Erlebnisse auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896 nimmt dieses Motiv auf. Allerdings ist der Baron Mikosch kein Held, sondern eine Witzfigur, die vermeintliche Rettung einer »Sklavin« von der Berliner Gewerbeschau misslingt.

[28] Vgl. Schreiben der Polizei Schöneberg-Wilmersdorf vom 8.4.1911. In: LAB A Pr. Br. Rep. 030-05 Nr. 1615.

[29] Berliner Allerlei. In: Der Komet. 07.05.1910. Vgl. auch: Berliner Allerlei. In: Der Komet.23.07.1910.

[30] Schreiben der Polizei Schöneberg-Wilmersdorf vom 10.06.1910. In: LAB A Pr. Br. Rep. 030-05 Nr. 1615.

[31] Kairo am Halensee. In: B. Z. am Mittag. 06.06.1911.

[32] Vgl. Dreesbach 2005: S. 280ff.

[33] Die Aufnahmen befinden sich im Phonogramm-Archiv des Ethnologischen Museums.

[34] Dreesbach 2005: S. 49.

[35] Ebd.: S. 16.

[36] Luna-Park. In: Berliner Morgenpost. 07.06.1911.

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