Der erste Balkan-Zug startet am Anhalter Bahnhof
Die Portikus-Ruine, die heute (nach Renovierung 2002–2005) am Askanischen Platz in Kreuzberg zu besichtigen ist, gibt nur noch einen vagen Eindruck davon, wie imposant das vollständige Gebäude und die umgebenden Anlagen einmal gewesen sind. Der Anhalter Bahnhof war nach seinem Umbau in der zweiten Hälfte der 1870er Jahre der größte Fernbahnhof Berlins und bediente die Strecken ins südliche Umland sowie weiter nach Italien und Griechenland. Er war gleichzeitig das moderne Stadttor für alle per Bahn in Berlin Eintreffenden. Wie alle ab den 1880ern staatlichen Bahnlinien diente er dem Passagier- und Güterverkehr, im Krieg von 1866 und im Ersten Weltkrieg jedoch auch der Verschiebung von Truppen nach Süden. Nach Beschädigungen durch die Bombenangriffe 1945 wurde der Bau 1959 abgerissen, das Portal blieb als Mahnmal gegen Krieg und Zerstörung stehen.
Diese Zueignung verdeckt nicht nur, dass der Abriss des Bahnhofs erst 15 Jahre nach dem Krieg und gegen Proteste aus Bevölkerung und Stadtplanung stattfand. Sie lässt auch vergessen, dass der Anhalter Bahnhof als prachtvolles „Tor nach Berlin“ Ausdruck des ideell und geographisch umfassenden Geltungsdrangs des Deutschen Reichs und seiner Hauptstadt gewesen ist. In diesem Sinne wurde der Anhalter Bahnhof auch zu einem Bestandteil der Kolonialgeschichte Berlins und Kreuzbergs: Seit dem späten 19. Jahrhundert war er als Anfangspunkt einer direkten Verbindung von Berlin nach Konstantinopel und weiter nach Mesopotamien vorgesehen, die als Etappe für einen Landweg nach Indien imaginiert wurde, aber nie zustande kam. Als Vorzeigebahnhof wurde er bis 1942 für den öffentlich sichtbaren Teil der Deportation jüdischer Menschen aus dem Reichsgebiet genutzt.
Die Vorgeschichte des Anhalter Bahnhofs begann 1836 mit der Gründung einer privaten Eisenbahngesellschaft, die den Bau einer Verbindung von Berlin in die sächsische Hauptstadt Dresden betreiben wollte. Der ursprüngliche Plan sah einen Anschluss an die von Berlin nach Potsdam führende „Hofbahn“ vor. Nachdem Verhandlungen mit deren Betreibern scheiterten, sollte die Bahn seit 1838 auf Anregung des Herzogs von Anhalt stattdessen über Dessau nach Köthen führen. Der folgende Ausstieg zahlreicher Aktionäre führte zum Einstieg des preußischen und anhaltinischen Staates mit Geldern und vor allem Garantien über Dividenden. Auch für den Bau des Bahnhofs war staatliche, genauer militärische Unterstützung erforderlich: Da die Stadt Berlin damals noch von Festungsmauern umgeben war und die nach Süden gerichteten Stadttore bereits von Bahnhöfen belegt waren, wurde die Stadtmauer am Tempelhofer Ufer durchbrochen; das Militär überschrieb einen Teil des dort gelegenen Exerzierplatzes an die Gesellschaft. Da das Gelände noch nicht erschlossen war, ermöglichte das Arrangement der Gesellschaft den Erwerb billigen Baulandes, der Stadt sicherte es neuen Erweiterungsraum einschließlich neu angelegter Straßen. Das Militär wiederum erhielt Rechte zur Verwendung der Bahn im Mobilmachungsfalle – der 1866 mit dem Krieg zwischen Preußen und Österreich um die Vorherrschaft in den deutschen Staaten erstmals eintrat. Die militärische Inanspruchnahme kam auch den Aktionären zugute: Infolge des Krieges fuhren sie eine Rekorddividende von 13% ein.[1] Bereits 1841 war die Strecke als zweite von Berlin ausgehende Bahnlinie unter dem Namen Berlin-Anhaltische Bahn fertiggestellt; der erste Bahnhof wurde 1840 eingeweiht. Die Erwartungen der aus Bankiers und königlichen Räten bestehenden Gesellschaft erfüllten sich durchaus: Mit der Entwicklung Berlins zur Großstadt stieg das Passagier- und Güteraufkommen kontinuierlich. Bereits in den 1850er Jahren zeichnete sich ab, dass der Bahnhof das steigende Personen- und Güteraufkommen nicht mehr bewältigen konnte. Auch behinderte der ebenerdige Bahnhofsbetrieb den Verkehr auf den umliegenden Straßen. Erst 1871 war die Aktionärsversammlung dazu bereit, einen vollständig neuen Bahnhof bauen zu lassen. Möglich wurde diese Großinvestition nicht zuletzt durch Mittel aus den üppigen Kriegsreparationen, die das neu gegründete Deutsche Reich nach dem Krieg 1870/71 von der Dritten Französischen Republik erhielt. Der Neubau wurde am 15. Juni 1880 mit großem Pomp eröffnet. Im Mai 1886 zeigte sich beim Empfang des italienischen Königs die Eignung des Gebäudes und seines Vorplatzes für prunkvolle Aufmärsche. Natürlich war es auch für Umdeutungen offen: Am 23. Oktober 1918 wurde Karl Liebknecht nach seiner Entlassung aus der Haft trotz großen Polizeiaufgebots von einer jubelnden Menschenmenge auf dem Bahnhof empfangen und durch die Stadt geleitet. Als größter Berliner Fernbahnhof, wichtigster Ausgangspunkt für touristische Reisen und „großer Bahnhof“ für ausländische Potentaten war der Anhalter Bahnhof ein Monument imperialer Größe: Die äußere Gestalt orientierte sich an der für das hauptstädtische Berlin charakteristischen Schinkelschen Neorenaissance mit Anleihen aus romanischer Kirchenarchitektur. In den Innenräumen zielten Farbgebung, Wandbemalung und Beleuchtung auf „festliche Wirkung“ ab – entsprechend seiner Funktion als „Tor des Südens“ und als Pforte, durch die Ankommende die Hauptstadt des Deutschen Reichs betreten würden.[2] Dabei spiegelte der Bau die soziale Differenzierung der Bahnkunden: In der Frühzeit waren Bahnfahrten ein teures Vergnügen, auch wenn manche Akteure eine „Demokratisierung“ des Reisens und damit der Gesellschaft insgesamt befürchteten (wie Wilhelm I. und ein Teil des preußischen Adels) oder erhofften (wie Friedrich Harkort, der die Eisenbahn als „Leichenwagen des Feudalismus“ bezeichnete). Mit der Zuwanderung nach Berlin und der zunehmenden räumlichen Distanz zwischen Arbeits- und Wohnstätten innerhalb der Stadt wurde die Bahn dann tatsächlich auch zum Verkehrsmittel auch für die Unterklassen, was sich in gestaffelten Kartenpreisen in vier auch räumlich (d.h. in je eigenen Waggons und Wartesälen) separierten Passagierklassen ausdrückte. Darüber hinaus gab es nur in diesem Bahnhof bestimmte Räumlichkeiten mit separatem Eingang für die kaiserliche Familie. Der Bahnhof fertigte in erster Linie den Fernverkehr nach und aus dem Süden ab, also über Sachsen bzw. Sachsen-Anhalt, Prag und Budapest nach Griechenland sowie nach Italien. Der Anhalter Bahnhof war zudem als Zwischenstopp der Bagdadbahn, deren Ausgangspunkt Hamburg war, mit den kolonialen Ambitionen des Kaiserreichs verbunden. Die Finanzierung, Planung und Bau dieses Unternehmens lagen in hessischen und bayerischen Händen. Die Bagdadbahn[3] gehörte zu einer ganzen Reihe von europäischen Bahnprojekten im globalen Süden: In ähnlicher Weise, wie die Linien in den Kolonialstaaten sowohl der wirtschaftlichen Erschließung und Ausbeutung natürlicher und humaner Ressourcen sowie dem Warentransport als auch politischer Vereinnahmung und der militärischen Sicherung bzw. gelegentlichen Expansion dienten, entstand in den französischen, britischen und deutschen Kolonien im späten 19. Jahrhundert ein zunächst loses, dann immer stärker verdichtetes Netz von Werks-, Plantagen- und Verbindungsbahnen, über die Rohstoffe, Waren und Truppen transportiert und Gebiete für die Einrichtung und den Betrieb von Plantagen erschlossen wurden. Die meist einheimischen Arbeiter:innen wurden gering entlohnt, mitunter rekrutierte die Kolonialverwaltung Zwangsarbeiter:innen. In Namibia – damals Deutsch-Ostafrika – spielten die deutschen Bahnen 1904–1906 eine gewichtige Rolle bei der Niederschlagung des Aufstands der Herero und Nama. Hier wurde er der Bahnbau sogar bis weit in den Ersten Weltkrieg hinein fortgesetzt. Die 1914 begonnene Verbindungsbahn Mombo Handeni diente 1916 immerhin noch dem geregelten Rückzug der deutschen Truppen vor den anrückenden Briten. [4] Die Bagdadbahn unterschied sich insofern von den Kolonialbahnen, als sie nicht nur ein deutsches koloniales, sondern auch ein osmanisch-imperiales Projekt war[5]: Sie sollte wie die Anatolische Bahn der wirtschaftlichen Erschließung und politischen Anbindung eines bis dahin randständigen, aber rohstoffreichen Gebietes – des heutigen Irak – dienen. Das Deutsche Reich propagierte das Großprojekt als ingenieurtechnische Meisterleistung sowie als Symbol für einen anderen, „sanfteren“ und kultivierteren deutschen Kolonialismus: Immerhin bot sich mit dem prunkvollen Osmanischen Reich ein imperialer Erweiterungsraum, der im Gegensatz zu den afrikanischen und ozeanischen Kolonien alte, wenn auch im Niedergang befindliche Hochkulturen hervorgebracht hatte. Es spielte in diesem Zusammenhang eine nicht geringe Rolle, dass antike Artefakte (an denen lokale Bevölkerung und Behörden zum damaligen Zeitpunkt kein gesteigertes Interesse hatten) als Ausstellungsstücke in die Berliner Museen gebracht wurden – manchmal mit behördlicher Genehmigung, manchmal auch ohne. Tatsächlich ermöglichten die Bagdadbahn und die damit verbundenen politischen Interventionen einen Kolonialismus, der nicht auf direkter militärischer Eroberung, sondern auf finanzieller und wirtschaftlicher Kontrolle aufbaute.[6] Eine zusätzlich ideologisch-rassistische Aufladung erfolgte ab 1900 durch die deutschnationale Presse, deren Euphorie einige politische und akademische Akteure folgten: Die Bahn sollte der „Verbreitung deutschen Wesens“ dienen und wurde als Beginn eines Landweges nach Indien beworben – nicht zuletzt, um Vorbehalten gegen eine Finanzierung bei der Reichsregierung zu begegnen.[7] Der Geograph Hugo Grothe, der in der Zwischenkriegszeit und im Dritten Reich maßgeblich an der Konstruktion des „Auslandsdeutschtums“ als exterritorialer Erweiterung der deutschen Staatsnation beteiligt sein sollte, prüfte in seiner 1903 veröffentlichten Dissertation die Möglichkeit, Bauern, wie sie sich bereits in Palästina niedergelassen hatten, im erdölreichen Mesopotamien anzusiedeln. Zudem entwickelte Grothe seine Siedlungsphantasien am Beispiel reformierter Siedler im Russischen Reich. Es entbehrt angesichts vergangener Debatten über Schwaben in Berlin nicht einer gewissen Pikanterie, dass er die „hohe Vitalität des schwäbischen Stammes und seine besondere Befähigung zur ländlichen Siedlung“ hervorhob.[8] Eine österreichische, an ein breites Publikum gerichtete Arbeit mit ähnlicher Ausrichtung wurde zwischen 1912 und 1918 in 17 Auflagen verbreitet.[9] Nicht nur deutsche Imperialisten und Nationalisten, sondern auch Briten, Franzosen und Polen sahen migrantische Ansiedlungen im globalen Süden als Stützpunkte für imperiale Erweiterungsräume.
Spätestens ab 1904 entwickelte die in den Bahnprojekten finanziell führende Deutsche Bank Interesse an möglichen Ölvorkommen, insbesondere nachdem die britische Admiralität ihre Kriegsschiffe von Kohle- auf Ölfeuerung umstellte und Erdöl damit militärisch bedeutsam wurde. Der Versuch, eine 1907 durch Ungeschick verlorene Vorkonzession auf das Öl zurückzubekommen, scheiterte allerdings spätestens 1910. Ab 1914 verfolgte die Deutsche Bank diese Interessen gemeinsam mit britischen und türkischen Bankiers. Der mögliche Zugriff auf die mesopotamischen Erdölvorkommen bezog den Bahnhof allerdings nicht ein: Bereits in der auf 99 Jahre angelegten Konzession von 1903 war festgelegt worden, dass der Abtransport der Bodenschätze, die die Bahngesellschaft 20 km beiderseits der Trasse ausbeuten durfte, über eigens anzulegende Häfen erfolgen dürfe.[10] Zu der intendierten militärischen Nutzung kam es nicht mehr: Die Bagdadbahn wurde bis 1914 nur zu etwa zwei Dritteln fertiggestellt; der Bedarf an Öl als Brennstoff für Schiffe und Kraftfahrzeuge musste im Wesentlichen aus rumänischen und galizischen Vorkommen gedeckt werden. Allerdings wurden die fertiggestellten Stücke 1915/16 mit deutscher Unterstützung für den Genozid an den osmanischen Armeniern genutzt. Zur gleichen Zeit imaginierte eine Artikelserie in der Zeitschrift „Deutsche Politik“ einen noch engeren Zusammenschluss der Kriegsverbündeten Deutsches und Osmanisches Reich mit dem Ziel einer ununterbrochenen und dauerhaft gesicherten Landverbindung von Mitteleuropa bis zum Persischen Golf.[11]
Die geplante direkte Verbindung Anhalter Bahnhof–Bagdad und weiter zum Hafen Basra kam letztlich nie zustande. Über die meiste Zeit gewährleistete der französisch dominierte Orient-Express die Verbindung zwischen Europa und dem Osmanischen Reich unter Umgehung des Anhalter Bahnhofs: Selbst die 1900–1902 und 1920–1939 angebotenen Kurswägen zum Anschluss Berlins an den Orient-Express Paris-Wien-Konstantinopel (heute Istanbul) verkehrten vom Schlesischen Bahnhof (heute der Berliner Ostbahnhof) aus. Dies änderte sich lediglich während des Krieges: 1916 bis 1918 verkehrte ab Berlin ein „Balkanzug“ als Ersatz für den eingestellten Orient-Express nach Konstantinopel. Eine Strecke verlief ab Anhalter Bahnhof über Dresden, Prag und Wien, eine andere vom Schlesischen Bahnhof über Breslau und Budapest. Es entsprach den repräsentativen Qualitäten des Anhalter Bahnhofs, dass die erste prunkvoll gefeierte Abfahrt des Zuges am 15. Januar 1916 von hier aus erfolgte; auch an den Zwischenhalten wurden Jubelfeiern ausgerichtet. Fernweh und imperiale Hoffnungen, die sich an diese Strecke knüpften, symbolisierte ein zur gleichen Zeit erschienenes Reisespiel des deutsch-jüdischen Spielwarenherstellers Spears.[12]
Im Versailler Vertrag verlor das Deutsche Reich neben seinen überseeischen Kolonien auch jegliche Rechte an der Bagdadbahn: Die Anteile, die die deutschen Gesellschafter hielten, wurden auf ihre britische Partnerfirma überschrieben, auch die Erdölkonzession ging durch die Gründung des Iraks 1920 verloren. Das nationalsozialistische Deutschland griff – nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer inzwischen gestiegenen Bedeutung von Erdöl als Rohstoff nucht nur als Brennstoffe sondern auch für die chemische Industrie – die Hoffnungen auf die arabische Halbinsel in anderer Form wieder auf: Die Expansionspläne im Osten sahen über die Annexion sowjetischen Territoriums im Kaukasus auch einen Zugriff auf die irakischen Ölfelder vor.[13] Am 9. August 1940 wurde die Bagdadbahn ohne deutsche Beteiligung vom irakischen Staat schließlich fertiggestellt. Die Frankfurter Zeitung vom 16.7.1940 bedauerte, die Bahn sei nicht geworden, „was sich ihre deutschen Begründer… darunter vorgestellt hatten“.[14] Mit dem Ende des deutschen Vormarschs auf den Kaukasus und im Mittleren Osten 1942 spielte sie für das Deutsche Reich ohnedies keine Rolle mehr.
Eine besondere Aufgabe erfüllte der Anhalter Bahnhof im Rahmen der Deportationen von Jüd:innen aus dem Deutschen Reich während des Zweiten Weltkriegs, wobei seine Rolle als Vorzeigebahnhof auch dabei gewahrt blieb: Während Massendeportationen aus Berlin in die Zwangsarbeits- und Vernichtungslager im besetzten Osten vor allem vom Güterbahnhof Moabit sowie dem Bahnhof Grunewald aus erfolgten, gingen vom Anhalter Bahnhof einige Züge bzw. Kurswagen in das in Filmen und Artikeln als Vorzeigeprojekt beworbene „Altersghetto“ Theresienstadt ab. Seit dem 27. Januar 2008 erinnert eine Stele hinter der Bahnhofsruine an diese Deportationen.
Bei den Flächenbombardements 1944/45 wurde der Bahnhof beschädigt, blieb aber bis in die 1950er Jahre hinein benutzbar. Pläne für einen Wiederaufbau scheiterten letztlich an der sich verschärfenden Blockkonfrontation: 1952 riegelte die DDR den westlichen Teil Berlins ab; der Hauptschienenverkehr wurde allmählich auf den Schlesischen Bahnhof umgelenkt, der später zum zentralen Bahnhof der Hauptstadt der DDR werden sollte. 1959 beschloss der Kreuzberger Magistrat trotz Einsprüchen von Stadtplanern und interessierten BürgerInnen den Abriss, der sich bis weit in die 1960er Jahre hinzog. Lediglich der alte Portikus blieb als Mahnmal gegen Krieg und (mit seiner Lage unweit der Berliner Mauer) staatliches Unrecht erhalten. Die Bahnlinie, deren Ausgangs- und Endpunkt der Bahnhof war, spielte allerdings noch in den 1960er und 1970er Jahren eine wichtige Rolle bei der holprigen Entwicklung der BRD zum Einwanderungsland: Nach dem Anwerbeabkommen von 1961 kamen bis Anfang der 1970er fast 100.000 der „sogenannten “ Gastarbeiter:innen aus Anatolien per Bahn nach Berlin.[15]
Als Erinnerungsort an die deutsche oder Berliner Kolonialgeschichte taugt das, was vom Anhalter Bahnhof übriggeblieben ist, nur noch sehr eingeschränkt: Die Verbindung zur Geschichte des Kolonialismus besteht nur indirekt, und die stehengebliebenen Fassadenfragmente wurden nach 1945 recht eindeutig zum Mahnmal gegen den Krieg . Die zuletzt 5 km langen Anlagen zwischen Askanischem Platz und Gleisdreieck wurden inzwischen abgerissen und überbaut bzw. sind einem Park gewichen. Reste des alten Anhalter Güterbahnhofs sowie einige technische und architektonische Details wie die Bronzestatuen „Der Tag“ und „Die Nacht“ oder das „Fürstenportal“ sind heute im Technikmuseum am Tempelhofer Ufer zu sehen.

Abb. 1: Vorlage:Aufsichtsvorlage Kreuzberg Berlin. Askanischer Platz mit Anhalter Bahnhof.

Abb. 2:
Michael G. Esch
ORT
Askanischer Platz 6-7HEUTE
Askanischer Platz 6Zitieren des Artikels
Michael G. Esch: Der erste Balkan-Zug startet am Anhalter Bahnhof. In: Kolonialismus begegnen. Dezentrale Perspektiven auf die Berliner Stadtgeschichte. URL: https://kolonialismus-begegnen.de/geschichten/der-erste-balkan-zug-startet-am-anhalter-bahnhof/ (03.03.2025).
Literatur & Quellen
[1]… Maier, Helmut, Berlin Anhalter Bahnhof, Berlin 1987, S. 43.
[2] Vgl. ebd., S. 186.
[3] Die Bagdadbahn ist eine im ehemaligen Osmanischen Reich von Konya (heute in der Türkei) nach Bagdad (heute im Irak) führende, in den Jahren 1903 bis 1918 auf etwa 3/4 ihrer Gesamtlänge von etwa 1600 Kilometern gebaute Eisenbahnstrecke.
[4]… Vgl. Reinhardt, Wolfgang, Die Unterwerfung der Welt. Globalgeschichte der europäischen Expansion 1415–2015, München 2016.; Ballantyne, Tony / Burton, Antoinette, “Empires and the Reach of the Global”, in: Rosenberg, Emily S. (Hg.), A World Connecting 1870-1945, Cambridge / London 2012, S. 285-431, hier S. 373-384; Baltzer, Franz, Die Kolonialbahnen mit besonderer Berücksichtigung Afrikas, Berlin / Leipzig 1916.
[5]… Vgl. Maier, Helmut, Berlin Anhalter Bahnhof, S. 373-376.
[6]… Eichholtz, Dietrich, Die Bagdadbahn, Mesopotamien und die deutsche Ölpolitik bis 1918. Aufhaltsamer Übergang ins Erdölzeitalter, Leipzig 2007; Beșirli, Mehmet, Die europäische Finanzkontrolle im Osmanischen Reich von 1908 bis 1914. Die Rivalitäten der britischen, französischen und deutschen Hochfinanz und der Diplomatie vor dem Ersten Weltkrieg am Beispiel der türkischen Staatsanleihen und der Bagdadbahn, Berlin 1999..
[7]… Vgl. ebd., S. 21.
[8]… Grothe, Hugo,: Die Bagdadbahn und das schwäbische Bauernelement in Transkaukasien und Palästina. Gedanken zur Kolonisierung Mesopotamiens. München: 1902. Lehmann. S. 29.
[9]… Ritter, Dr. Albert [von Winterstetten, Karl], Berlin-Bagdad. Neue Ziele mitteleuropäischer Politik, Berlin 17. Auflage 1918 (1. Auflage 1912).
[10] Vgl. Eichholtz, Die Bagdadbahn, Mesopotamien und die deutsche Ölpolitik bis 1918. Aufhaltsamer Übergang ins Erdölzeitalter, S. 21.
[11] Schwanitz, Wolfgang, Deutschland und der Mittlere Osten, Leipzig 2004..
[12] Schwarz, Helmut / Faber, Marion, „Die Spielmacher. J. W. Spear & Söhne – Geschichte einer Spielefabrik“, in: Katalog zur Ausstellung im Spielzeugmuseum Nürnberg (Museum Lydia Bayer), 22.11.1997 – 19.04.1998, Nürnberg 1997, S. 143f.
[13] Eichholtz, Dietrich, Deutsche Ölpolitik im Zeitalter der Weltkriege. Studien und Dokumente, Leipzig 2010, S. 452-466.
[14] Lodemann, Jürgen / Pohl, Manfred, Die Bagdadbahn. Geschichte und Gegenwart einer berühmten Eisenbahnlinie,Mainz 1989, S. 85.
[15] Kleff, Hans-Günter, „Die Bevölkerung türkischer Herkunft in Berlin-Kreuzberg – eine Bestandsaufnahme“, in: Ghettos oder ethnische Kolonie? Entwicklungschancen von Stadtteilen mit hohem Zuwandereranteil, Bonn 1998, Friedrich-Ebert-Stiftung, S. 83-93. Online abrufbar unter: http://library.fes.de/fulltext/asfo/00267009.htm#LOCE9E10 [letzter Zugriff: 10.01.2021].
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