Eine Kolonialkritische Ausstellung in der Elefanten Press Galerie
1986 fand in der Elefanten Press Galerie in Kreuzberg (Zossener Str. 32) eine Ausstellung über Kolonialismus und Apartheid statt, deren Schwerpunkte auf der Kontinuität von Kolonialismus und Rassismus einerseits und auf dem Widerstand in Südafrika andererseits lagen. Die Ausstellung knüpfte an eine Reihe von Projekten in Bremen der Universität, des Überseemuseums, des Afrika Vereins und an eine Ausstellung der Neuen Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK) in Berlin[1] an. Im Vergleich zu den früheren Projekten basierte die Ausstellung von 1986 jedoch auf der direkten Zusammenarbeit mit dem südafrikanischen African National Congress (ANC). Auch bedienten sich die Macher:innen künstlerisch-aktivistischer Methoden, um sich mit dem Widerstand gegen das Apartheidregime zu solidarisieren.
Schon bei dieser Ausstellung wurden Straßennamen thematisiert – zu sehen waren Beispiele von Straßenschildern aus verschiedenen Städten, die etwa Namen von Akteur:innen des deutschen Kolonialismus trugen, wie Lüderitzstraße oder Karl-Peters-Straße. Diese wurden Schildern aus dem Südafrika der Apartheid gegenübergestellt, vor allem solchen, die bestimmte Orte für Menschen mit weißer Hautfarbe reservierten. Gleich am Eingang des Ausstellungsraums waren zwei Türen aufgebaut, die nach südafrikanischem Vorbild Eingänge für Menschen mit verschiedenen Haufarben bezeichneten, ein Eingang für weiße Menschen und ein „Entrance Non-Whites Only“. Um den realistischen Charakter des Enactments zu verstärken, gab es bei der Ausstellungseröffnung eine Person in südafrikanischer Polizeiuniform. Ähnliche Hinweise waren auch im Schaufenster der Galerie zu sehen und sollten Passant:innen mit dem Thema konfrontieren.
Die Schilder wurden zusätzlich durch solche aus der Zeit der nationalsozialistischen „Rassen“-Trennung ergänzt. So gab es in der Ausstellung auch eine Bank aus dem Wiener Volkspark mit einer Plakette, auf der „Nur für Arier“ stand. Die jüdisch-deutsche Journalistin Ruth Weiss, die zusammen mit Hans Mayer die ausstellungsbegleitende Publikation „Afrika den Europäern“ verfasste, hatte sich schon in ihrer politischen Biographie „Ein Lied ohne Musik“ 1981 für den Vergleich stark gemacht. Weiss war mit ihrer Familie 1936 vor den Nazis nach Südafrika geflohen und hatte dort die sogenannte Rassentrennung erlebt, die sie wiederum an das Deutschland ihrer Kindheit erinnerte.[2] Dieser Zusammenhang wurde auch durch Fotos einer Hakenkreuzflagge der burisch-rechtsextremen „Afrikaner Weerstandsbeweging“ unterstrichen.[3]
Die Wände der Ausstellung waren mit schwarzen Folien verhangen, dazwischen standen Vitrinen mit Alltagsgegenständen, die rassistische und koloniale Motive trugen, u. a. wurden gesundheitsschädigende Produkte zur Hautaufhellung gezeigt.[4] Auf den Fotos an den Wänden waren Gewalttaten und Aufstände in Südafrika gezeigt, etwa vom Massaker in Sharpeville 1960 (Ermordung von 69 Demonstrant:innen) oder dem Beginn der Schüler:innenaufstände in Soweto 1976. Aber auch Zwangsumsiedlungen und Gefangenschaft wurden thematisiert.[5] Der starke Bezug auf Südafrika war als Solidarisierung mit dem intensiven Widerstand gegen die Apartheid in den 1980er Jahren zu verstehen. Interessanterweise zeigt ein Blick auf das sonstige, grundsätzlich gesellschaftskritische Programm der Galerie und des Verlags, dass die Auseinandersetzung mit Kolonialismus und Rassismus ansonsten kaum eine Rolle spielte. Somit scheinen die Geschehnisse in Südafrika, der Hauptgrund für die Konzeption der Ausstellung zu sein.
Die Zusammenarbeit mit dem ANC und mit internationalen Südafrika-Solidaritätsbewegungen zeigt sich auch an den Leihgeber:innen der Ausstellung, unter ihnen die Anti-Apartheid-Bewegungen AAW Berlin/Bonn, der ANC Bonn/London und das International Defence & Aid Fund for Southern Africa (IDAF). Bei der Ausstellungseröffnung war der ANC Aktivist Ben Molathe, der sich als Theologiestudent 1985 bis 1987 mit einem Stipendium der Gossner Stiftung in der DDR aufhielt – nicht nur, um sich über zu Apartheid auszutauschen, sondern auch zur Rolle der Kirche im Sozialismus.[6] Er traf dort auf Gottfried Kraatz[7], der sich als Pfarrer in Kapstadt gegen die Apartheid engagierte, weshalb er eine Haftstrafe antreten musste.[8] Der Ausstellungskatalog enthält ein Vorwort des SPD-Vorsitzenden Willy Brandt sowie eines von Francis Meli, Mitglied des „Exekutiv Kommitees“ des ANC. Meli würdigte die Ausstellung als Sichtbarmachung des Apartheid-Systems und wies auf die „bestehende […] Zusammenarbeit und Unterstützung des Botha-Regimes durch die Bundesrepublik Deutschland“ hin.[9]
Die Ausstellung wäre ohne die bereits existierenden antikolonialen Netzwerke in Bremen – wie den Afrika-Verein – nicht möglich gewesen. Dort lag der Fokus allerdings weniger auf Südafrika. In Bremen gab es zwei erinnerungspolitische Schwerpunkte: Zum einen der einhundertste Jahrestag der „Kongo-Konferenz“ von 1884, zum anderen das heute wieder aktuelle Thema des Kunstraubs, etwa aus Nigeria. Bremen hatte für die deutsche Kolonialgeschichte eine große Bedeutung, da der dort geborene Kaufmann Adolf Lüderitz die Gründung der Kolonie „Südwest“ einleitete. In den 1970er Jahren hielt sich Ben Amathila, Aktivist der namibischen Befreiungsbewegung SWAPO, an der Universität in Bremen auf.[10] In Absprache mit ihm wurde beschlossen, Bildungsprogramme sowohl in Deutschland als auch für Namibia zu entwerfen.[11]
Daran waren Akteur:innen der Universität wie das Ehepaar Manfred O. Hinz und Helgard Patemann sowie der Direktor des Überseemuseums, Herbert Ganslmayr beteiligt.[12] Ganslmayr war durch seine Forschung und sein museumspolitisches Engagement mit Personen in Nigeria vernetzt und trug mit Gert von Paczensky, ebenfalls ein wichtiger Akteur in den museumspolitischen Debatten der 1970er Jahre, das Thema des Kunstraubs aus Kamerun und Benin in die Ausstellung.[13] Zusammen veröffentlichten sie im gleichen Zeitraum einen wichtigen Band über die Debatte um den „Erwerb“ von Kulturgut im kolonialen Kontext.[14] Namibia stand im Fokus des Kreises an der Universität Bremen, zum Beispiel im Projekt „Politische Landeskunde Namibias“.[15] Nach der Unabhängigkeit Namibias waren Hinz und Patemann für 10 Jahre vor Ort in Windhoek, um unter anderem am Aufbau des Rechtssystems mitzuarbeiten.[16]
Im Vorfeld des 100-jährigen Jahrestags der Berliner „Kongo-Konferenz“ 1884 luden die Bremer Akteur:innen im Jahre 1983 zu einem Symposium ein.[17] Das Überseemuseum publizierte die Ergebnisse als „Protokolle und Generalakte der Berliner Afrika-Konferenz 1884–1885“.[18] Eine Ausstellung zur Geschichte und Kontinuität von europäischem Kolonialismus wurde entwickelt, die nicht nur in Bremen, sondern auch 1985 in Schwäbisch-Hall anlässlich der „Dritte-Welt Woche“ gezeigt wurde.[19] Didaktische Elemente der Ausstellung waren Karten, historische Stiche und Fotografien sowie Gegenstände, die die Fortdauer kolonialer Machtverhältnisse und rassistischer Bildlichkeit belegten.
Teile dieser Ausstellung übernahm die Kreuzberger nGbK Galerie 1984 für eine Ausstellung in den Berliner Festspielen in der Budapester Straße,[20] die ein weiterer wichtiger Vorläufer der Elefanten Press Ausstellung war. Im Projektteam waren Hans Mayer, Brigitte Schreiber und Rolf Brockschmidt.[21] Im nGbK Archiv finden sich Ansichten der Ausstellung von 1984. Durch den Vergleich mit dem Katalog lassen sich die Exponate identifizieren. So war eine „Karte von Central Afrika“ von 1885 zu sehen; ein Porträt des für die „Erschließung“ des Kongo für Belgien entscheidenden Forschers Henry Morton Stanley; eine zeitgenössische Illustration der Afrikakonferenz, zentral Otto von Bismarck; weitere Illustrationen aus jener Zeit, die etwa die Zerstörung von Dörfern in Kamerun durch deutsche Truppen zeigten, sowie eine Kolonial-Ehrentafel, auf der u. a. Kurfürst Friedrich Wilhelm, Adolf Lüderitz, Carl Peters, Gustav Nachtigal und Otto von Bismarck zu sehen waren.[22]
Im Rahmen der Ausstellung erschien „Afrika den Europäern. Von der Berliner Kongokonferenz 1884 ins Afrika der neuen Kolonisation“ von Ruth Weiss und Hans Mayer. Das Buch dokumentiert die Herangehensweise der Ausstellung: Die historische Erzählung geht von kolonialen Bestrebungen Belgiens im frühen 19. Jahrhundert über die „Kongo-Konferenz“ der europäischen Kolonialmächte bis hin zu den 1970ern und den neuen Versuchen der Einflussnahme auf die afrikanischen Nationen.[23] Ebenfalls 1984 erschien bei Elefanten Press ein sogenanntes „Bilderlesebuch“[24], das dann für die 1986er Ausstellung überarbeitet und neu herausgegeben wurde.[25] Im Buch, wie auch in der späteren Ausstellung der Elefanten Press Galerie, lag der Fokus auf deutschem Kolonialismus – Texte und Bilder befassten sich dessen Geschichte und Kontinuität. Gezeigt wurde auch der Widerstand. Elefanten Press war für diese Bilderlesebücher bekannt, in denen sozialistische, klimapolitische, feministische und autonome Inhalte in zugänglichen Texten und mit vielen Fotos vermittelt wurden.
Die Recherchen zu diesem Text zeigen, dass es durchaus eine kritische Erinnerung an den Kolonialismus gab. Der Anstoß zur Ausstellung in Berlin lässt sich auf Bremer Netzwerke zurückverfolgen. Am Beispiel der Elefanten Press wird deutlich, wie linke Akteur:innen der Berliner Gegenkultur diese kritischen Auseinandersetzungen aufgriffen und weiterentwickelten und mit einem offensiven Ausstellungsdisplay die Widerständigkeit gegen Rassismus und Kolonialismus sichtbar machen wollten.

Abb. 1: Vitrine in der Elefanten Press Galerie 1986, die mit rassistischen Produkten auf Kontinuitäten kolonialer Bilder hinweist. Quelle: FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum Archiv

Abb. 2: Ausstellungsdisplay Elefanten Press Galerie, Berlin, 1986, FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum

Abb. 3: Gegenüberstellung in der Elefanten Press Galerie 1986 von „Whites only“-Schildern aus Südafrika, Symbolen einer südafrikanischen Nazi-Partei, einem „nur für Arier“ Schild aus Wien und Straßenschildern mit Kolonialbezügen. Quelle: FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum Archiv

Abb. 4: Apartheid-Schilder im Fenster des 1. OG der Elefanten Press Galerie 1986. Quelle: FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum Archiv

Abb. 5: Ausstellungsdesign mit schwarz verhängten Wänden in der Elefanten Press Galerie 1986. Im Hintergrund links ist das Fenster der Galerie zu sehen, an dem von der Straße sichtbare Apartheid-Schilder montiert wurden (siehe Abb. 4). Quelle: FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum Archiv
Lukas Fuchsgruber
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Zitieren des Artikels
Lukas Fuchsgruber: Eine Kolonialkritische Ausstellung in der Elefanten Press Galerie. In: Kolonialismus begegnen. Dezentrale Perspektiven auf die Berliner Stadtgeschichte. URL: https://kolonialismus-begegnen.de/geschichten/ausstellung-weiss-auf-schwarz-kolonialismus-apartheid-und-afrikanischer-widerstand/ (03.03.2025).
Literatur & Quellen
[1] Hinz, Manfred O. / Patemann, Helgard / Meier, Arnim, Weiss auf Schwarz. 100 Jahre Einmischung in Afrika, Berlin 1984.
[2] Weiss, Ruth, Ein Lied ohne Musik. Politische Autobiographie, Ravensburg 1983, S. 9ff.
[3] FHXB Museum Archiv, K03_0496_24-38.
[4] FHXB Museum Archiv, K03_0495_31-40a.
[5] FHXB Museum, Archiv, K03_0496_24-38.
[6] Archiv Gossner Mission. Evangelisches Landeskirchliches Archiv in Berlin, Gossner G 1/1576: Stipendiaten Bert Seraja und Ben Mohlathe.
[7] FHXB Museum Archiv, K03_0497_01-11.
[8] dpa-Meldung: „Pfarrer Kraatz ist Superintendent“, in: taz. die tageszeitung, 7. 10. 1986, S. 5.
[9] Hinz, Manfred O. / Patemann, Helgard / Meier, Arnim, Weiss auf Schwarz. Kolonialismus, Apartheid und afrikanischer Widerstand, Berlin 1986, S. 7.
[10] Henkenberens, Carolin, „Bremen und Windhoek. Wie Freundschaft entsteht“ Weserkurier, 31.5.2018. Online abrufbar unter: https://www.weser-kurier.de/bremen/wie-freundschaft-entsteht-doc7e4iwhu0mr7193yy91sf?reloc_action=artikel&reloc_label=/bremen_artikel,-wie-freundschaft-entsteht-_arid,1735232.html [letzter Zugriff: 09.06.2021].
[11] Vgl. ebd.
[12] Vgl. ebd.
[13] Vgl. Savoy, Bénédicte, Afrikas Kampf um seine Kunst. Geschichte einer postkolonialen Niederlage,München 2021,S. 71; Hinz / Patemann / Meier, Weiss auf Schwarz. 100 Jahre Einmischung in Afrika,, S. 175ff.; Hinz / Patemann / Meier, Weiss auf Schwarz. Kolonialismus, Apartheid und afrikanischer Widerstand,, S. 168ff.
[14] Paczensky, Gert / Ganslmayer, Herbert, Nofretete will nach Hause. Europa – Schatzhaus der „Dritten Welt“, München 1984..
[15] Patemann, Helgard, Lernbuch Namibia, ein Lese- und Arbeitsbuch. Projekt Politische Landeskunde Namibias an der Universität Bremen, Bremen 1984.
[16] Vgl. Henkenberens, Bremen und Windhoek. Wie Freundschaft entsteht.
[17] Gatter, Thomas, „Internationales Symposium „Berliner Afrika-Konferenz 1884/85“. Ein Projekt des Bremer Afrika Archivs“, in: Africa Spectrum, 18/1 (1983), S. 107-109.
[18] Gatter, Thomas, Protokolle und Generalakte der Berliner Afrika-Konferenz. 1884 – 1885, Bremen 1984..
[19] Plakat im Archiv Zürcher Hochschule der Künste, Museum für Gestaltung Zürich. Plakatsammlung. Archivnummer: 84-2484
[20] „Afrika, 100 Jahre Einmischung“, in: nGbK Archiv. Online abrufbar unter: https://archiv.ngbk.de/projekte/afrika-100-jahre-einmischung/ [letzter Zugriff: 10.01.2021].
[21] Vgl. ebd.
[22] Vgl. Hinz / Patemann / Meier, Weiss auf Schwarz. Kolonialismus, Apartheid und afrikanischer Widerstand.
[23] Mayer, Hans / Weiss, Ruth, Afrika den Europäern! Von der Berliner Kongokonferenz 1884 ins Afrika der neuen Kolonisation, Wuppertal 1984..
[24] Vgl. Hinz / Patemann / Meier, Weiss auf Schwarz. 100 Jahre Einmischung in Afrika.
[25] Vgl. Manfred / Patemann / Meier, Weiss auf Schwarz. Kolonialismus, Apartheid und afrikanischer Widerstand.
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