DWM: Waffen für deutsche Kolonien – Beispiel Deutsch-Ostafrika
Die Beiträge des Museums Reinickendorf, die auf der Seite „Kolonialismus begegnen“ präsentiert werden, wurden sorgfältig im Kontext der Sonderausstellung „Koloniale Spuren in der Industriegeschichte Reinickendorfs“ kuratiert. Die Beiträge wurden eingehend geprüft und für die digitale Präsentation überarbeitet. Wir empfehlen, den umfassenden einleitenden Text zur kolonialen Vergangenheit Reinickendorfs (Link) vorab zu lesen.
Waffen und Trinkflaschen für deutsche Kolonien
Firma: Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG (DWM)
Gründung: 1889 als Deutsche Metallpatronenfabrik AG in Karlsruhe, 1896 umfirmiert als Deutsche Waffen- und Munitionsfabrik AG mit Hauptsitz in Berlin
Reinickendorf: ab 1907 Produktion von Kugellagern in Wittenau, 1914 Bau einer Waffenfabrik in Wittenau, Eichborndamm
Produktion: Waffen, Munitionsartikel, Werkzeugmaschinen, Kugellager
Produktivität: Reingewinn 1915: ca. 11 Mill. Mark
Mitarbeiter: 1914 ca. 8.600
Die Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken (DWM) lieferten 1913 unter anderem Lafetten, auf denen Maschinengewehre montiert wurden, und ledergefütterte Feldflaschen für die Kaiserliche Polizeistammkompagnie in Duala (Kamerun). Zuvor hatte die DWM bereits Maschinengewehre vom Typ Maxim an das deutsche Militär geliefert. Diese Gewehre, die 1885 von dem britisch-amerikanischen Unternehmer Hiram Maxim entwickelt worden waren, wurden seit 1901 in den deutschen Kolonien eingesetzt. Die DWM, die von 1889 bis 1949 Waffen, Munition, Werkzeugmaschinen und Kugellager herstellte und vertrieb, besaß ab 1908 eine Produktionsstätte in Reinickendorf am Eichborndamm. Als Zusammenschluss mehrerer Firmen zunächst in Karlsruhe gegründet, verlegte sie 1897 ihren Hauptsitz nach Berlin. Produziert wurde zunächst in Martinikenfelde (heute Moabit) und in der Hollmannstraße (heute Kreuzberg). Das Waffengeschäft und die Produktion für Armeen in aller Welt lief so gut, dass 1906 ein – so eine Darstellung zur Firmengeschichte – „ca. 130 Morgen grosses Terrain […] in Wittenau b. Berlin“ erworben wurde, „auf dem eine allen Anforderungen der Neuzeit entsprechende, modern ausgestattete Fabrik zur Herstellung von Kugellagern und Stahlkugeln errichtet“ wurde. (1)
Maxim/Maschinengewehr
Im Video (Link) stellt 1885 der britisch-amerikanische Erfinder Sir Hiram Stevens Maxim (1840–1916) das erste Maschinengewehr vor. Anstelle von Einzelschüssen war nun Dauerfeuer möglich. Die Waffe konnte etwa 500 Schuss pro Minute abfeuern, was der Leistung von 100 bis dahin gebräuchlichen Repetiergewehren entsprach. Zahlreiche Armeen wurden mit den Maxim-Maschinengewehren ausgerüstet. Erstmals wurde es 1893 von den Briten zur Eroberung des Matabelelandes in Rhodesien (heute Simbabwe) eingesetzt. Die massenhaft tödliche Wirkung des Maschinengewehrs wurde von dem britischen Schriftsteller Hillaire Belloc mit dem zynischen Vers beschrieben: „Whatever happens, we have got/the Maxim Gun, and they have not“. (2) Mit der Gründung von DWM im Jahr 1896 begann auch die Produktion von Maxim-Maschinengewehren. 1899 wurde eine eigene Abteilung für deren Produktion eingerichtet. Der Erfolg des Unternehmens führte 1906/07 zur Expansion nach Reinickendorf. (3)
Einsatz von Militärgerät in Deutsch-Ostafrika
Der Kolonialismus war nicht zuletzt aufgrund der ungleichen militärischen Voraussetzungen von Gewalt geprägt. Militärisches Gerät aus der Reinickendorfer Produktion der DWM kam ab 1907 zum Einsatz. In diesem Jahr dehnte das Unternehmen die Abteilung zur Herstellung von Maxim-Maschinengewehren aus und übernahm Aufträge, die vermutlich auch der Ausrüstung der „Schutztruppen“ in den Kolonien dienten. Die Waffenproduktion in der Fabrik am Eichborndamm begann 1914. Die Erträge aus der dortigen Produktion von Kugellagern und aus vorheriger von Waffen an anderen Standorten flossen einerseits in den Bau der Fabrikanlagen, andererseits ermöglichten sie der DWM grundsätzlich die Ausweitung der Waffenproduktion. Ab 1914 in Reinickendorf gefertigte Waffen dürften auch in den Kolonien zum Einsatz gekommen sein.
Die Kolonie Deutsch-Ostafrika
Deutsche Kolonie: 1884 bis 1918
Fläche: 995.000 km² (Bundesrepublik Deutschland: 357.000 km²); heute v.a. Tansania, Ruanda, Burundi, Mosambik
Bevölkerung: 1885 ca. 8 Millionen, um 1913 ca. 5.300 Deutsche
Wirtschaft: Handel: Sklavenhandel, Elfenbein, Felle, Wolle; Plantagenwirtschaft: Kautschuk, Tabak, Baumwolle, Kaffee; Importiert wurden vor allem Eisenbahnanlagen, Maschinen
Militär: 1913 über 400 deutsche Offiziere und über 2.600 afrikanische Soldaten (Askari)
Die Kolonie Deutsch-Ostafrika lag an der Ostküste des subtropischen Afrika, geprägt vom Kilimandscharo und dem Viktoriasee. Zur Kolonialzeit lebten dort etwa 8 Millionen Menschen. 90 Prozent waren Bantu, im Nordosten siedelten Massai und an der Küste arabische Händler aus dem Oman, die einen regen Handel, unter anderem mit Sklaven, ins Landesinnere unterhielten. (4) Neben dem Kautschukanbau wurde mit Elfenbein, Fellen, Häuten, Wolle und Faserstoffen gehandelt. Auf Plantagen wurden Südfrüchte, Tabak, Baumwolle, Kaffee, Tee, Hanf und Vanille angebaut. (5) Insgesamt lagen die Ausgaben für die Kolonie (18,97 Millionen Mark) aber höher als die Einnahmen (15,58 Millionen Mark). In die Infrastruktur zur Beförderung des Warenverkehrs investierte die Deutsche Kolonial-Eisenbahn-Bau- und Betriebsgesellschaft (DKEBBG), die zwei Eisenbahnlinien mit einer Gesamtlänge von rund 350 Kilometern betrieb. (6)
Die Geschichte der Kolonie Deutsch-Ostafrika ist eng mit dem Namen des Kolonialverbrechers und Rassisten Carl Peters (1856–1918) verbunden. Seine Aktivitäten legten Anfang bis Mitte der 1880er Jahre den Grundstein für die koloniale Expansion. Peters hatte 1884 die Gesellschaft für deutsche Kolonisation mitgegründet, war dann nach Ostafrika gereist und hatte dort „Schutzverträge“ mit lokalen Machthabern abgeschlossen, die er häufig mit Täuschungen und Drohungen zur Unterschrift brachte. (7) Peters‘ rücksichtsloses Vorgehen mit Prügelstrafen und Hinrichtungen, ging Ende der 1890er Jahre selbst den Machthabern in Berlin zu weit, und er wurde nach einem Disziplinarverfahren 1897 aus dem Dienst entlassen. Nach der Berliner „Kongokonferenz“ von 1884/85 unterzeichnete Kaiser Wilhelm I. am 27. Februar 1885 den „Schutzbrief“ für die besetzten ostafrikanischen Gebiete. Mit der unter anderem von Peters mitbegründeten Deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft (DOAG) wurde im April 1885 ein „Schutzvertrag“ geschlossen. (8) Der Schutzvertrag berechtigte die DOAG zur Inbesitznahme von scheinbar herrenlosem Land, gewährte Schürfrechte und Privilegien beim Eisenbahnbau. Die brutale Niederschlagung des Maji-Maji Aufstands durch deutsche Truppen (1905–1907) gilt als einer der größten Kolonialkriege auf dem afrikanischen Kontinent. Die Truppen der Maji-Maji-Bewegung hatten sich nach schweren Verlusten – zum Einsatz kamen neuartige Maschinengewehre vom Typ Maxim, hergestellt von den Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken in Berlin – auf eine Guerillataktik verlegt. Dabei wurden landwirtschaftliche Flächen, Dörfer und Vorräte zerstört und Nutztiere getötet. Zwischen 75.000 und 300.000 Menschen starben durch Krieg und Hunger. (9)
Facts & Files
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Eichborndamm 105-107 13403 BerlinHEUTE
Eichborndamm 105-107 13403 BerlinZitieren des Artikels
Facts & Files : DWM: Waffen für deutsche Kolonien – Beispiel Deutsch-Ostafrika. In: Kolonialismus begegnen. Dezentrale Perspektiven auf die Berliner Stadtgeschichte. URL: https://kolonialismus-begegnen.de/geschichten/dwm-waffen-fuer-deutsche-kolonien-beispiel-deutsch-ostafrika/ (05.11.2024).
Literatur & Quellen
(1) Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken: Handbuch der Deutschen Aktiengesellschaften 1914, S.987–988f.
(2) Sebastian Conrad: Deutsche Kolonialgeschichte. C.H.Beck Wissen, Band 2448, 4., durchgesehene Auflage, Originalausgabe, München 2019, S. 55.
(3) Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken in Berlin, Wittenau, AG: Geschäftsberichte, Berlin 1907-1919. Schreiben vom 09.08.1912 und 26.02.1913.
(4) Sebastian Conrad: Deutsche Kolonialgeschichte. C.H.Beck Wissen, Band 2448, 4., durchgesehene Auflage, Originalausgabe, München 2019, S. 37.
(5) Kolonial-Handels-Adressbuch 1912, Joh. Tesch (Hg.), 16. Jahrgang, Berlin 1912, S. 52.
(6) Winfried Speitkamp: Deutsche Kolonialgeschichte. Reclam Sachbuch, Aktualisierte und erweiterte Ausgabe, Ditzingen 2021, S. 33; Die Kolonie Deutsch-Ostafrika, URL: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/aussenpolitik/ostafrika.
(7) Winfried Speitkamp: Deutsche Kolonialgeschichte. Reclam Sachbuch, Aktualisierte und erweiterte Ausgabe, Ditzingen 2021, S. 21.
(8) Sebastian Conrad: Deutsche Kolonialgeschichte. C.H.Beck Wissen, Band 2448, 4., durchgesehene Auflage, Originalausgabe, München 2019, S. 41.
(9) Winfried Speitkamp: Deutsche Kolonialgeschichte. Reclam Sachbuch, Aktualisierte und erweiterte Ausgabe, Ditzingen 2021, S. 131-132; Felix Brahm: Merchandise of Power. Der Waffenhandel zwischen Europa und Ostafrika, Frankfurt, M., New York 2022, S. 264.
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