Löwenfiguren am Deutschen Kolonialhaus
Begleitend zur Ausstellung „Koloniale Spuren der Industriegeschichte Reinickendorfs“ in der GalerieETAGE wurden auch ausgewählte Objekte in den Räumen der ständigen Ausstellung im Museum Reinickendorf auf ihre kolonialen Spuren und Kontexte untersucht.
Unter Mitwirkung einer Fokusgruppe von Schüler*innen des Thomas-Mann-Gymnasiums (Johanna Grace Ampofo, Amanda Calista Williams, Ibrahim Sow, John Kossi Gbeassor) wurden digitale Interventionen für Besucher*innen entwickelt (Link), die multiperspektivische Blicke auf die Ausstellungsgegenstände eröffnen.
Die Beiträge wurden eingehend überprüft und für die digitale Präsentation überarbeitet. Wir empfehlen zum Einstieg den einleitenden Text zur kolonialen Vergangenheit Reinickendorfs (Link).
Löwenfiguren am Deutschen Kolonialhaus
Unternehmen: Deutsches Kolonialhaus Bruno Antelmann
Gründung: 1896
Verkauf von Produkten aus den Kolonien: Lebensmittel (wie z.B. Kaffee, Kakao, Früchtetee, Tabak und Zigaretten, Gewürze, Zucker, Erdnussöl, Kokosfett) sowie „exotische“ Luxusartikel (wie z.B. Elfenbeinfigürchen, Löwenfelle, Straußenfedern)
Seit 2015 befindet sich auf dem Vorplatz gegenüber dem Eingang des Museums Reinickendorf eine steinerne Doppellöwenfigur, die zum Erkennungssymbol des Museums geworden ist.
Vorher waren die beiden Löwenfiguren Teil der Sammlung des „Straßenmöbelmuseums“ im Tegel-Center, in dem seit 1972 u.a. bauplastische Schmuckobjekte, Laternen, Hydranten und Skulpturenfragmente zusammengetragen wurden. Nach großem Interesse in den ersten Jahren gerieten die Stücke nahezu in Vergessenheit. Um dem Verfall und dem Schwund entgegenzuwirken, wurde auf Initiative des Museums Reinickendorf in den letzten Jahren ein Großteil der Exponate in den Garten des Museums transloziert und hier seit 2015 im neuen Kontext als Lapidarium wieder aufgestellt.
Die Löwenfiguren zierten ursprünglich als Pilasterfiguren das Portal des Deutschen Kolonialhauses. Nach der Gründung in den 1880er Jahren eröffnete Bruno Antelmann 1903 eine neue Filiale in der Lützowstraße 89/90 (Berlin Tiergarten). Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. An der Fassade befanden sich Darstellungen von Massai-Kriegern, Elefanten, Palmen und in repräsentativen Schriftzügen die Namen der deutschen Kolonien. Die Schaufenster waren dekoriert mit „exotischen“ Waren. Die Gestaltung geht zurück auf eine europäische Imagination und Exotisierung des „Fremden“ als ideologischem Fundament des Kolonialismus, das sich hier in der Gegenüberstellung von rassistischen Stereotypen mit dem „Bekannten und Heimischen“ manifestierte.
Anlässlich der Eröffnung der neuen Filiale in der Lützowstraße publizierte die „Deutsche Kolonialzeitung“ in der Ausgabe vom 10.12.1903 einen vierseitigen Artikel mit Fotografien der prächtigen Fassade und der üppigen Innenausstattung. Das neue Gebäude enthielt zahlreiche Geschäfts- und Lagerräume, Kontore, eine Fernsprechzentrale, ein Aufsichtsratszimmer, „Expeditionsräume“ (für Post- und Bahnversand von Waren), kleinere Maschinenhallen mit Abfüllanlagen und Kaffeeröstmaschinen.
Deutsches Kolonialhaus
Das Deutsche Kolonialhaus Bruno Antelmann eröffnete in der Jerusalemer Straße 28 in Berlin in den 1880er Jahren und spezialisierte sich auf Waren aus den deutschen Kolonien. Das Unternehmen Antelmann hatte als erstes in Deutschland Erzeugnisse der deutschen Kolonien (vor allem aus Togo, Kamerun, Deutsch-Südwest- und Deutsch-Ostafrika) im großen Maßstab eingeführt und bekannt gemacht und damit auch koloniale Propaganda und die Entwicklung der Kolonien gefördert. Es gehörte für zehn Jahre zum größten Importeur von Kolonialwaren und verfügte über mehrere Niederlassungen, u.a. in Leipzig, Frankfurt am Main und München. Darüber hinaus gab es mehr als 400 Verkaufsstellen in weiteren deutschen Städten. Die zuverlässige Kontrolle der Echtheit der Produkte sollte den deutschen Markt vom Import fremder Kolonialerzeugnisse unabhängig machen.
1896 war Bruno Antelmann mit einem eigenen Verkaufsstand auf der „1. Deutschen Kolonialausstellung“ in Treptow mit Waren aus „deutschem Anbau“ vertreten. Auf dieser Gewerbeausstellung fanden gleichzeitig die ersten „Völkerschauen“ statt: Schwarze und vermeintlich „Wilde“ wurden einem interessierten Berliner Publikum vorgeführt.
Aus dem Verkaufskatalog
Eine „Propaganda“-Abteilung sorgte für die reichsweite Bewerbung der Kolonialprodukte. Produktnamen wie „Usambara-Kaffee“, „Samoa-Kakao“ und „Kamerun-Schokoladen“, „Kiautschou-Zigaretten“, „Neu-Guinea- und Kamerun-Zigarren“ verwiesen auf ihre „exotische“ Herkunft. Die Verpackungen zeugten von einer kolonialistischen Bildersymbolik und verfestigten gängige Stereotype.
Für den exklusiven Geschmack bot das Unternehmen Ethnographica an. In der Angebotspalette fanden sich z.B. „Hausgötzen aus Togo“, „Schmuck der Herero aus Südwest-“ und „Massai-Speere aus Ost-Afrika“. Exotika, wie Elfenbeinschnitzereien, Straußeneier oder Löwenkrallen und andere Galanteriewaren wurden neben Kolonialbüchern, Atlanten, Spezialkarten, Kolonialfotografien, passenden Briefmarken und Postkarten in den Schaufenstern präsentiert. Um die Kolonialfantasien der Kundschaft zu bedienen, waren auch ausgestopfte Papageien und Kakadus käuflich zu erwerben.
Von der „Exotik“ des Deutschen Kolonialhauses ließ sich auch Kaiser Wilhelm II. anstecken: Bruno Antelmann wurde zum Hoflieferanten ernannt.
Wenn „Tropenkinder deutsches Brauchtum“ pflegen
1901 machte das Deutsche Kolonialhaus, damals noch mit Firmensitz in der Jerusalemerstraße 28, das Berliner Publikum mit einer besonderen Weihnachtsfeier auf sich aufmerksam. Die schwarzen Angestellten und deren Kinder wurden zu Werbezwecken missbraucht, „Stille Nacht, heilige Nacht“ zu singen, begleitet von Klavier- und Violinenklängen unterm Tannenbaum. Die Deutsche Kolonialzeitung berichtete darüber ausführlich. Viele der Angestellten im Deutschen Kolonialhaus stammten selbst aus den deutschen Kolonien und sollten das exotische Flair in den Verkaufsräumen vervollständigen.
Deutsche Kolonialgesellschaft
Die Deutsche Kolonialgesellschaft (DKG) wurde 1887 als zivilgesellschaftliche Gruppierung gegründet. Ziele der Gesellschaft waren laut Satzung eine expansive Kolonialpolitik, die Absicherung der bestehenden deutschen Kolonien, die Stärkung ihrer wirtschaftlichen Nutzung und wissenschaftlichen Erforschung sowie die Gewinnung aller „Parteien im Deutschen Reich für die deutsch-koloniale Sache“. Zusammen mit dem Deutschen Flottenverein und dem Reichsmarineamt finanzierte die DKG die Flottenrüstung der Kaiserlichen Marine unter Kaiser Wilhelm II.
Wöchentlich propagierte die DKG in der „Deutschen Kolonialzeitung“ ihre Ideen, daneben gab die Gesellschaft eine Vielzahl von Broschüren und Flugschriften heraus, organisierte Ausstellungen und Vorträge und übte Einfluss auf die Bildung in Schulen und Universitäten aus.
Die DKG war im Kaiserreich eine einflussreiche Organisation mit bekannten Persönlichkeiten an ihrer Spitze und erreichte eine Mitgliederzahl von bis zu 43.000 des gehobenen Mittelstandes.
Claudia Wasow-Kania
Imke Küster
ORT
Lützowstraße 89/90, Berlin TiergartenHEUTE
Alt-Hermsdorf 35, 13467 Berlin (Gegenüber Eingang des Museums Reinickendorf)Zitieren des Artikels
Claudia Wasow-Kania Imke Küster Löwenfiguren am Deutschen Kolonialhaus. In: Kolonialismus begegnen. Dezentrale Perspektiven auf die Berliner Stadtgeschichte. URL: https://kolonialismus-begegnen.de/geschichten/loewenfiguren-am-deutschen-kolonialhaus/ (23.11.2024).
Literatur & Quellen
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