Die Deutsche-Kolonial-Film Gesellschaft

Bis zum Beginn des Tonfilms stand die Friedrichstraße für den internationalen Filmstandort Berlin.[1] Neben renommierten Filmfirmen wie Léon Gaumont, Pathé Frères, Eclipse oder Deutsche Bioscope fand man im heutigen Kreuzberg ab 1917 auch das Büro der Deutschen Kolonial-Filmgesellschaft mbH, kurz Deuko. Mit ihr entstand ein neues Genre: Der fiktionale koloniale Propagandafilm. Produziert wurden die Filme allerdings nicht in den Kolonien, sondern in Berlin. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs am 1. August 1914 hatten sich die Produktionsbedingungen geändert – die Seeblockade der britischen Marine schnitt Deutschland von den überseeischen Gebieten ab. Bis dahin waren in den deutschen Kolonien sogenannte Aktualitäten und Reisebilder produziert worden, also Frühformen des Dokumentarfilms. Die Kreuzberger Deuko setzte mit ihren Filmen dagegen auf das persönliche Drama der Deutschen in den Kolonien. Diese Filme sollten das heimische Publikum darin erinnern, dass das Deutsche Reich auch in Afrika, der „zweiten Heimat“, verteidigt wird.[2]

Mit einem Stammkapital von 60 000 Mark unterzeichneten die Berliner Geschäftsleute Martin Steinke, Alfred Leopold und Karl Karalus am 20. März 1917 den Gesellschaftsvertrag; der Eintrag ins Handelsregister erfolgte im folgenden Monat, dem 27. April 1917. Hauptverantwortlich für die Firma war Martin Steinke, nachdem Leopold und Karalus 1917 und 1918 ausgeschieden waren. Ihr Büro unterhielt die Deuko zunächst in der Friedrichstraße 235 und wechselte im Mai in die Friedrichstraße 5–6. In der Deuko kamen die Bemühungen der kolonialen Privatwirtschaft zum Tragen, eine eigene Filmpropaganda zu etablieren – unabhängig von staatlichen Propagandaeinrichtungen wie der staatsnahen Deutschen Lichtbild-Gesellschaft (DLG/DEULIG) oder dem Bild- und Filmamt (BUFA), das der obersten Heeresleitung unterstand. Dennoch belegt die Produktionsgeschichte der Deuko eine enge Verbindung zum Reichskolonialamt (RKA) in der Wilhelmstraße 62 und zu der einflussreichsten kolonialen Lobbygruppe, der Deutschen Kolonialgesellschaft (DKG), die im sogenannten Afrikahaus, Am Karlsbad 10 in Tiergarten, ihren Sitz hatte.

Die Gründung der Deuko ging nahezu zeitgleich mit einer Diskussion innerhalb der DKG über koloniale Filmpropaganda einher. Der Eintrag in das Handelsregister erfolgte am gleichen Tag wie der Beschluss der DKG, sich vorerst nicht finanziell an der Gründung einer „Kolonialen Film-Gesellschaft“ zu beteiligen, wohl aber als wichtiger Kooperationspartner für mögliche Filmprojekte fungieren zu wollen.[3] Im September 1917 beschrieb Steinke in der Deutschen Kolonialzeitung, dem Sprachrohr der Kolonialgesellschaft, die Ziele der Deuko. Im Gegensatz zu ausländischen Hetzfilmen, so Steinke, die an die niedrigen Instinkte der Zuschauer:innen appellierten, wolle die Deuko „Kulturarbeit“ leisten.[4] Da „Kolonien für die Heimat von ungeheurer Wichtigkeit“ seien, beabsichtige die Deuko „koloniale Filmdramen spannenden Inhalts und gesunder Tendenz“ herzustellen.[5]

Bis zum Ende ihrer Tätigkeit im Jahr 1919 realisierte die Deuko acht Filmprojekte: „Der Verräter“ (Georg Alexander/Carl Boese, 1917), „Farmer Borchardt“ (Carl Boese, 1917), einen Animationsfilm für die Kolonialkrieger-Spende (1918), „Der letzte Augenblick“ (1918), „Die Heldin von Paratau“(1918), „Das Ende der Alma Bonar“ (1918), „Der Gefangene von Dahomey“ (Hubert Moest, 1918) sowie einen humoristischen Trickfilm.[6] Nur „Der letzte Augenblick“ ist heute noch erhalten geblieben, doch selbst bei diesem Film fehlt die letzte Filmrolle. Der Film spielt nicht in den Kolonien, wohl aber werden die Kolonialgebiete in dem „Kriminal-Gesellschafts-Drama“[7] als Fluchtort thematisiert. Über Rezensionen in der Filmpresse zugänglich sind drei Filme: „Der Verräter“, „Farmer Borchardt“ und „Der Gefangene von Dahomey“. Die Handlung von „Das Ende der Alma Bonar“ ist nicht bekannt. Der Animationsfilm, der am 17.-18. August 1918 produziert wurde und helfen sollte, Spenden für Kolonialkrieger zu generieren, dürfte mit den Kolonien zu tun gehabt haben. Bei „Der letzte Augenblick“ und „Die Heldin von Paratau“ liegt ein Bezug indirekt nahe. Einer Anzeige in der Filmzeitschrift „Der Film“ zufolge war eine der Hauptdarstellerinnen des Films „Die Heldin von Paratau“ eine Person namens „Meg Gehns“, wobei es sich sehr wahrscheinlich um Emma Augusta (Meg) Gehrts (1891–1966) handelte. In deren Buch „Die Weisse Göttin der Wangora/A Camera Actress in the Wilds of Togoland“ berichtet sie über Filmarbeiten in Paratau (heute Paratao in Togo).[8] Es ist nicht auszuschließen, dass „Die Heldin von Paratau“ mit einer älteren Produktion identisch oder sogar das Remake eines Filmes ist, den Gehrts Ehemann, der Regisseur Hans Schomburgk während seines Aufenthaltes in Togo 1914 gedreht hat.

Der erste Spielfilm der Deuko, „Der Verräter“, welcher im September 1917 in die Kinos kam, zielte auf antibritische Propaganda. Er erzählt die Geschichte des jungen Engländers Smith, der sich in Friedenszeiten in die Tochter (Else Roscher) eines deutschen Geschäftsmannes und Farmbesitzers in Deutsch-Südwestafrika (DSWA) verliebt. Smith heiratet das Mädchen, zieht nach Deutsch-Südwest und wird Manager der Farm seines Schwiegervaters. Nach dem Umzug nach Afrika vernachlässigt er seine junge Frau, intensiviert aber die Kontakte zu seinen britischen Nachbarn. Der deutsche Assistent der Farm telegrafiert nach Deutschland und berichtet von den seltsamen Vorgängen. Der Neffe des Schwiegervaters wird in die Kolonie geschickt, um die Arbeit von Smith zu überprüfen. Als der Krieg ausbricht, fliegt Smiths Tarnung auf. Er ist ein Spion und hat versucht, den Besitz seines Schwiegervaters auf die britische Seite zu übertragen. Bei einer Verfolgungsjagd mit einem Motorboot auf dem Oranje-Fluss kommt er zu Tode. Die Filmhandlung setzte nicht nur die deutschen Kolonien auf die Tagesordnung, sondern zeigte auch die Front in Afrika, wo deutscher Boden gegen die Briten verteidigt werden sollte.

In der zweiten Deuko Produktion ging es um den Zusammenhalt von Frau und Mann unter Kriegsbedingungen. Der Film war zur Zeit des Hererokrieges in DSWA in den Jahren 1904–08 angesiedelt. So konnte der Film nicht nur an vermeintlich deutsche Tugenden wie Treue und Durchhaltekraft appellieren, sondern zugleich an den letzten gewonnenen Krieg des deutschen Militärs erinnern. „Farmer Borchardt“ erschien im März 1918 und versprach in seiner Werbeanzeige: „Effektvoll!! Höchste Spannung bis zum Schluss!“[9] Nach der Trennung von ihrem Verlobten heiratet die junge Agnes (Frydel Fredy) den Farmer Borchardt (Ferdinand Bonn) und zieht mit ihm nach „Südwest“. Obwohl sie ein sorgenfreies Leben führen, kann die junge Frau ihren ersten Verlobten nicht vergessen. Nach dem Tod ihres Kindes fühlt sie sich einsam und bändelt wieder mit ihrem alten Liebhaber an, der mittlerweile für die Regierung in der Kolonie arbeitet. Borchardt entdeckt die heimliche Liebe und schickt beide fort. Inzwischen hat der Herero-Krieg begonnen. Agnes kehrt zu Borchardt auf die Farm zurück. Kurz darauf greifen Herero an. Verzweifelt will Borchardt seine Frau vor möglichen Gräueltaten der anstürmenden Feinde retten und schießt auf sie. Doch die Schutztruppen rücken an und retten den Hof. Borchardt glaubt, dass er seine Frau getötet hat und wird depressiv.

Agnes erholt sich, und sie beginnen ein neues gemeinsames Leben. „Farmer Borchardt“ feierte am 10. März 1918 im renommierten Marmorhaus am Kurfürstendamm 236 seine Premiere und lief erfolgreich im In- und Ausland. Filmbilder in der Presse belegen, dass die Produktion auf schwarze Darsteller zurückgriff, um die Kriegshandlungen darzustellen. Wenn auch über die einzelnen Darsteller und Komparsen nichts bekannt ist, belegt auch dieser Film die wohlbekannte Beschäftigung von Personen aus der Berliner Diaspora für propagandistische Zwecke.

Die Darsteller:innen afrikanischer Herkunft waren für den dritten Film der Deuko entscheidend. Der Erfolg von „Farmer Borchardt“ ermöglichte der DEUKO die Produktion eines noch größer ausgestatteten Films, „Der Gefangene von Dahomey“, der zugleich der letzte Film werden sollte. Dieser Film betrieb eindeutig antifranzösische Propaganda. Er basierte auf einem Drehbuch der Kolonialschriftstellerin Lene Haase und erzählte die Geschichte des deutschen Burgsdorf (Fritz Delius), der zu Beginn des Ersten Weltkrieges in die Gefangenschaft der französischen Armee gerät. Im Gefangenenlager in Dahomey (auf dem Gebiet des heutigen Benin) leiden Burgsdorf und seine Kameraden unter den sadistischen Exzessen des französischen Kommandanten (Friedrich Kühne). Burgsdorf lehnt sich zunächst nicht auf und versucht, das Beste aus seiner Situation zu machen. Schließlich fordert er aber faire Behandlung für die Gefangenen, wofür er mit der Nilpferdpeitsche bestraft werden soll. Damit beauftragt wird ein schwarzer Soldat, der sich jedoch dem Befehl widersetzt und vom Hauptmann getötet wird. Bald darauf wird Burgsdorf bis zur Besinnungslosigkeit gequält. Eine Bedienstete der Frau des Kommandanten pflegt ihn und verabreicht ihm einen mysteriösen Schutztrank, der ihn in einen todesähnlichen Schlaf versetzt. Er wird für tot erklärt und beerdigt. Mittels eines Gegengifts wird er anschließend wieder zum Leben erweckt und kehrt als lebender Toter jede Nacht in das Lager zurück, wo er nach und nach die schwarzen Wärter tötet. In der Zwischenzeit haben sich Burgsdorf und die Frau des Lagerkommandanten ineinander verliebt. Als der Kommandant die Beziehung entdeckt, versucht er, Burgsdorf zu töten. Auf einer dramatischen Verfolgungsjagd stirbt der Lagerkommandant. Burgsdorf und seine Geliebte verlassen Afrika und beginnen ein neues Leben in der Schweiz. Der Film „Der Gefangene von Dahomey“ liegt nicht mehr vor, und die wenigen Rezensionen zum Film geben nur bruchstückhaft Aufschluss über die Entstehung des Films. Die Drehbuchautorin Lene (Lena) Haase hatte sich in den Jahren zuvor mit Romanen wie „Raggys Fahrt nach Südwest“ (1910), „Durchs unbekannte Kamerun: Beiträge zur deutschen Kulturarbeit in Afrika“ (1915) und „Meine schwarzen Brüder: Geschichten aus dem Urwald“ (1916) einen Namen als Kolonialschriftstellerin gemacht. Verheiratet mit einem in der deutschen Kolonie Kamerun tätigen Bezirksarzt vermittelte sie anschaulich das weiße koloniale Leben. Die Geschichte des Farmers Burgsdorf beruhte angeblich auf tatsächlichen Erlebnissen, was der Kritik allerdings im Hinblick auf Burgsdorfs Scheintod, Wiederauferstehung und Rachefeldzug wenig glaubhaft erschien.[10] Für die deutsche Koloniallobby war eine derartige Vermischung von Fakt und Fiktion jedoch ein probates Mittel, um im breiten Publikum koloniale Propaganda zu betreiben.

Die begrenzte Quellenlage erlaubt keine abschließende Analyse und Interpretation des Films. Bemerkenswert an Haases Drehbuch ist die Konstruktion einer anti-französischen Allianz von afrikanischer Voodoo-Kultur und deutschem Widerstand. Entgegen der kolonialmissionarischen Ideologie, die Afrikaner:innen als ungebildete Kinder betrachtete, die auf eine höhere, christliche Zivilisationsstufe gehoben werden müssen, erweist sich im Film gerade das fremde, unchristliche Wissen als entscheidend für Burgsdorfs erfolgreichen Rachefeldzug. Zwar erscheint seine schwarze Retterin lediglich als Erfüllungsgehilfin und verbleibt im kolonialen Stereotyp der „edlen Wilden“. Ihr rituelles Wissen dagegen ist entscheidend für Burgsdorfs Sieg gegen seine Peiniger. Der lebende Tote in Haases Drehbuch zeigt eine bemerkenswerte Parallele zu den Praktiken des haitianischen Voodoo-Kults des „Zombi corps cadavre“, in dem mittels Giften und Gegengiften Kontrolle über eine Person gewonnen wird. Burgsdorfs Widersacher, der französische Lagerkommandant, wurde von der Filmpresse als „Deutschenfresser“ beschrieben.[11] Diesem gegnerischen Menschenfresser war nur mit der Hilfe ritueller, aber verbündeter Kräfte beizukommen.

Die Allianz gegen den unmenschlichen französischen Feind, unter dem Afrikaner:innen und Deutsche gemeinsam leiden, erweist sich bei näherem Hinsehen als brüchig. Burgsdorfs Rachefeldzug wendet sich entschieden gegen das schwarze Bewachungspersonal, gespielt von internierten afrikanischen Soldaten, die dem Film als Statisten dienten. Der französische Lagerkommandant dagegen stirbt nicht durch Burgsdorfs Hand, sondern versinkt bei der Verfolgung seiner Frau und ihres Geliebten Burgsdorf in einem Sumpf. Hier schimmern andere Solidaritäten durch, die sich auch zeigen, wenn Burgsdorf am Ende mit einer Französin nach Europa zurückkehrt.

Da Dreharbeiten in den Kolonien nicht mehr möglich waren, musste die Deuko in der Ausstattung ihrer Spielfilme erfinderisch sein und ein Setting schaffen, das dem der Kolonien ähnelte. Unter der Schirmherrschaft des Reichskolonialamtes, das die Produktion mit Requisiten und Kompars:innen unterstützte, wurden die Innenaufnahmen in den Berliner Studios gedreht, die Außenaufnahmen in der Umgebung von Berlin. Kritiken lobten die Deuko für die geschickte Auswahl der Drehorte, die „Wirklichkeit“ vortäuschten.[12] „Der Verräter“ enthielt Originalaufnahmen aus den Kolonien, die der Deuko von der DKG überlassen wurden.[13] Im Fall von „Der Gefangene von Dahomey“ wurde ein Teil der Requisiten vom Völkerkundemuseum in Berlin zur Verfügung gestellt, wobei die erwähnte Nilpferdpeitsche auf mysteriöse Weise verschwand und nicht an das Museum zurückgegeben werden konnte.

Nach einem passenden und authentischen Drehort für die Szenen im Gefangenenlager im Film musste die Deuko nicht lange suchen. Die Zusammenarbeit mit dem Reichskolonialamt ermöglichte der Deuko, das Kriegsgeschehen für sich zu nutzen. In Berlin-Wünsdorf, im heutigen Landkreis Teltow-Fläming (Brandenburg), hatte die Oberste Heeresleitung ein Gefangenenlager, das sogenannte „Halbmondlager“, errichtet, in dem gefangene Muslime indoktriniert werden sollten, um später einen heiligen Krieg (Djihad) gegen französische und englische Kolonialherren zu führen. Durch die erwähnten Kontakte zum Reichskolonialamt wurde das reale deutsche Lager kurzerhand zum fiktionalen französischen Filmgefangenenlager umdekoriert. Die Produktion des Films basierte somit auf der perversen Logik, in der die Gefangenen die Rolle der Wärter spielen mussten, während der Deutsche in die Rolle des Internierten schlüpfte.

Der enge Kontakt der Deuko zu dem RKA und der DKG zahlte sich aus. Als Anerkennung für ihre Arbeit erhielt sie von der DKG im April 1918 2.000 Mark zugesprochen,[15] darüber hinaus förderte die DKG die Deuko durch Werbung in ihren Gauverbänden und Abteilungen.[16] Der anfängliche Erfolg machte die Deuko selbstbewusst und zu einem begehrten Partner. Im Frühjahr 1918 unterbreitete sie der DKG ihre Vorstellung einer Neuformierung der Firma. Das Stammkapital sollte auf 500.000 Mark erhöht werden (im weiteren Verlauf sollten es bis zu 1,5 Millionen Mark werden[17]). Nach dem Kriegsende waren neue Produktionen in den Kolonien geplant, zudem sollten ein eigenes Atelier, eine Kopieranstalt sowie ein Archiv für Kolonialfilm- und Kultur entstehen.[18] Der dazu im Juni 1918 neu aufgesetzte Gesellschaftsvertrag wurde jedoch nie umgesetzt, denn die positive Entwicklung der Deuko war mit der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg beendet.

Die Deuko-Filme sind an der Kinokasse erfolgreicher gelaufen als in der Filmpresse – dort fielen die Reaktionen gemischt aus. Der Kinematograph bemängelte, ein besserer Regisseur hätte mehr aus dem „reichen Material“ in „Der Verräter“ gemacht. Die Lichtbild-Bühne meinte, das propagandistische Ziel in „Farmer Borchardt“ sei ins Gegenteil verkehrt, da die Kampfbereitschaft der Herero nicht dazu ermutigte, die Heimat aufzugeben. Was übrigbliebe, wäre eine rührselige Liebesgeschichte.[19] Die Zeitschrift Der Film hielt das Werk dagegen für überzeugend.[20] „Der Gefangene von Dahomey“ löste auf politischer Seite positive Reaktionen aus: Der Staatssekretär des RKA Wilhelm Heinrich Solf gratulierte[21] und die Mitglieder der Kolonialbewegung schwärmten von der ausgezeichneten Machart[22]. Doch die Presse ließ sich angesichts der drohenden Niederlage im Krieg nicht für den Film begeistern. Für die BZ am Mittag war es ein kulturloser Kulturfilm.[23] Der Film urteilte harsch, man komme beim Schauen des Films aus dem Grauen gar nicht mehr heraus. Die Kritiker in Der Film und Der Kinematograph“ waren sich einig: Es handele sich um einen Hetzfilm, der seinen Zweck nicht mehr erfülle.[24]

Der Film wurde zunächst für Kinder und dann gänzlich verboten[25] – für die Deuko wurde der Film zum finanziellen Desaster. Abgeschlossene Verträge mit Kinos konnten nicht eingehalten werden, und im April 1919 musste die Firma wegen Zahlungsunfähigkeit Konkurs anmelden, der aufgrund fehlender Masse jedoch zurückgewiesen wurde. Aus Kostengründen wurde das Büro aus der Friedrichstraße in die Potsdamer Straße 140 verlegt. Im Mai 1919 wurde Baron von Willemoes-Suhm Hauptgesellschafter der Deuko und im Januar 1921 alleiniger Gesellschafter. Im Dezember 1927 wurde die Deuko schließlich von Amtswegen aus dem Handelsregister gelöscht.[26]

Trotz ihrer kurzen aktiven Tätigkeit ist die Deutsche Kolonial-Filmgesellschaft mbH mehr als nur eine Randnotiz der Kolonial- und Filmgeschichte. Die enge Verzahnung von privatwirtschaftlichen und kolonialpolitischen Interessen und Interessensgruppen belegt die sich abzeichnende Bereitschaft, kolonialpropagandistische Filmarbeiten in großem Maß zu etablieren. Für Berliner Filmschaffende boten Kolonialfilme ein weiteres Beschäftigungsfeld, im Fall des Regisseurs Carl Boese war es das Sprungbrett zu einer jahrzehntelangen Karriere im Filmgeschäft – auch in der späteren Bundesrepublik.

Boese kehrte 1921 zunächst zum propagandistischen Kolonialfilm zurück, indem er in dem offen rassistischen und anti-französischen Film „Die schwarze Schmach“ Regie führte. Der Film thematisierte die französische Rheinlandbesetzung u. a. durch Truppen aus den afrikanischen Kolonien. Im Zentrum stand die Reinheit der deutschen Frau, die durch vermeintliche Vergewaltigungen durch schwarze Besatzungssoldaten in Gefahr sei.[27] Der bis heute verschollene Film lief im April 1921 in verschiedenen Städten an und sorgte für „überall brechend volle Häuser“[28]. Im August des Jahres wurde der Film verboten, um die angespannten deutsch-französischen Beziehungen nicht weiter zu belasten.[29] Carl Boese führte sein Filmschaffen im Dritten Reich fort und war bis in die fünfziger Jahre als Regisseur tätig.

Die Filme der Deuko mit ihren Geschichten von sich aufopfernden, gutmütigen deutschen Kolonialherren und Kolonialfrauen reihen sich in das Bildrepertoire der deutschen Kolonialideologie ein, das in den zwanziger Jahren in kolonialrevisionistischen Filmen weitergeführt wurde.[30] Die Motive haben bis heute eine erstaunliche Kontinuität wie z.B. „Unser Haus in Kamerun“ (Alfred Vohrer, BRD, 1961), „Traumschiff 33: Namibia“ (Michael Steinke, BRD, 1999), „Afrika, Mon Amour“ (Carlo Rola, BRD, 2007), „Meine Heimat Afrika“ (Erhard Riedlsperger, BRD, 2010).[31] Die Geschichte der Deuko dauerte nur wenige Jahre, sie steht aber exemplarisch für die Verquickung von Kolonialismus, Rassismus, Unterhaltung und filmwirtschaftlichem Kalkül in der deutschen Geschichte.

provided by FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum

Wolfgang Fuhrmann

ORT

In den Adressbüchern ist DEUKO nur 1918 und 1919 unter Friedrichstr. 5/6 (heute Friedrichstr. 4) verzeichnet.

HEUTE

Friedrichstraße 235

Zitieren des Artikels

Wolfgang Fuhrmann: Die Deutsche-Kolonial-Film Gesellschaft. In: Kolonialismus begegnen. Dezentrale Perspektiven auf die Berliner Stadtgeschichte. URL: https://kolonialismus-begegnen.de/geschichten/die-deutsche-kolonial-film-gesellschaft/ (03.03.2025).

Literatur & Quellen

[1] Vgl. Hanisch, Michael, Auf den Spuren der Filmgeschichte: Berliner Schauplätze, Berlin 1991, S. 168.

[2] Der Film, Nr. 31, 04.08.1917.

[3] Akte Deutsche Kolonial Filmgesellschaft, Bundesarchiv Berlin, BArch R 8023-328. Bl. 87.

[4] Steinke, Martin, „Koloniale Propaganda-Filme“, in: Deutsche Kolonialzeitung. Organ der Deutschen Kolonialgesellschaft. Jg. 34. Nr. 9/1917(20.9.1917), S. 137.

[5] Ebd.

[6] Vgl. BArch 8023-328, Bl. 4.

[7] Lichtbild-Bühne, Nr. 10, 09.03.1918. .

[8] Gehrts, Meg Weiße Göttin der Wangora: Eine Filmschauspielerin 1913 in Afrika, Wuppertal 1999,S. 55.

[9] Der Kinematograph, Nr. 575, 09.01.1918. .

[10] Der Film, Nr. 41,12.10.1918.

[11] Ebd.

[12] Der Kinematograph, Nr. 587, 03.04.1918, Werbeanzeige..

[13] Vgl. BArch 8023-328, Bl. 79.

[14] Höpp, Gerhard, Muslime in der Mark. Als Kriegsgefangene und Internierte in Wünsdorf und Zossen, 1914–1924, Berlin 1997; Lange, Britta, „Die Welt im Ton – In deutschen Sonderlagern für Kolonialsoldaten entstanden ab 1915 einzigartige Aufnahmen“, in: iz3w, no. 307 (2008), S. 22–25. Online abrufbar unter: https://www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/Lange-Welt-im-Ton.htm [letzter Zugriff: 10.01.2021].

[15] Vgl. BArch 8023-328, Bl. 58.

[16] Vgl. BArch 8023-328, Bl. 56-57.

[17] Vgl. ebd.

[18] Ebd.

[19] Lichtbild-Bühne, Nr. 11, 16.03.1918.

[20] Der Film,  Nr. 11, 16.03.1918.

[21] BArch, R 8023-328, Bl. 14.

[22] BArch, R 8023-328, Bl. 10.

[23] BArch, R 8023-328, Bl. 12.

[24] Der Film, Nr. 41, 12.10.1918; Der Kinematograph, Nr. 6, 14,09.10.1918.

[25] Herbert, Birett, Verzeichnis der in Deutschland gelaufenen Filme. Entscheidungen der Filmzensur 1911–1920, Berlin / Hamburg / Stuttgart / München 1980, S. 261 und S. 276.

[26] Vgl. LAB A Rep 342-0,. Nr. 2476.

[27] Vgl. Wigger, Iris, Die „Schwarze Schmach am Rhein“. Rassistische Diskriminierung zwischen Geschlecht, Klasse, Nation und Rasse, Münster 2006.

[28] Ebd., S. 179.

[29] Film Ober-Prüf-Stelle, O.B. 81.21 (13.08.1921). Online abrufbar unter: https://www.filmportal.de/sites/default/files/Die%20schwarze%20Schmach_O.B.81.21_1921.pdf {letzter Zugriff: 09.06.2021].

[30] Nagl, Tobias, Die unheimliche Maschine. Rasse und Repräsentation im Weimarer Kino, München 2008.

[31] Fuhrmann, Wolfgang, “The restauration of a colonial memory in German cinema of the 1950s/60s”, in: Lahti, Janne / Weaver-Hightower, Rebecca (Hg.), Cinematic Settlers: The Settler Colonial World in Film, London 2020,. S. 87-98; Neuser, Daniela, „Ein Platz an der Sonne – der neue Heimatfilm. Afrika, mon Amour und Momella. Eine Farm in Afrika“, in: Erll, Astrid / Wodianka, Stephanie (Hg.), Film und kulturelle Erinnerung. Plurimediale Konstellationen, Berlin / New York 2008, S. 107-138.

Tags

Download PDF