Der Deutsch-Koloniale Frauenbund

Im Jahr 1907 gründet sich der Deutschkoloniale Frauenbund. Luise Weitzenberg, die zu diesem Zeitpunkt in der Langestraße 25 in Südende wohnt, ist eine der Gründungsmitglieder. Ihre Adresse ist die erste Kontaktadresse des Frauenbundes. Die spätere Vorsitzende des Frauenbundes, Adda von Liliencron, berichtet, dass Luise Weitzenberg ihr im „Namen der Damen des Kommandos der „Schutztruppe““ geschrieben habe und sie darum gebeten habe, es in die Hand zu nehmen einen kolonialen Frauenbund zu gründen. Dessen Aufgabe solle es sein „geeignete weibliche Hülfskräfte hier für die junge Kolonie auszusuchen, hinüberzuschicken und dort in Stellung zu bringen, um in dieser Weise dem dringenden Bedürfnis nachzukommen, daß auch deutsche Frauen und Mädchen in der jungen Kolonie heimisch werden.“ Die vermeintliche Notwendigkeit weißer Frauen in den Kolonien wird vom Frauenbund rassistisch begründet: Nur sie könnten das „Deutschtum“ in den Kolonien schützen – nicht zuletzt indem sie sogenannte „Mischehen“ verhindern würden.[1]

Schon bei der Gründung des Frauenbundes wird also das kolonial-rassistische Ziel deutlich: Es geht dem Bund darum, weiße Frauen für die deutschen Kolonien zu interessieren, um das „Deutschtum“ zu schützen. Dafür veranstaltet der Bund in Berlin – auch in Steglitz, Südende, Lichterfelde und Zehlendorf – sogenannte „Kolonialkaffees“ oder Kolonialfeste, aber auch Lichtbildpräsentationen und Vorträge, auf denen Spenden für die Arbeit gesammelt werden.[2] Als seine Hauptaufgabe versteht der Frauenbund aber entsprechend seiner rassistischen Vorstellungen die Organisation der Auswanderung weißer deutscher Frauen in die Kolonien. Zentral dafür ist die Idee, die deutsche Herrschaft in den Kolonien durch weiße deutsche Familien zu festigen, wie im Vereinsorgan, der Kolonie und Heimat, deutlich wird: „Wenn an Stelle der einigen tausend Männer, die jetzt in den Kolonien wohnen, erst einig tausend Familien da draußen eine zweite Heimat sich geschaffen haben, werden die Kolonien zu dem werden, was sie werden sollen und können, zu einem Neudeutschland.“[3]

Luise Weitzenberg aus Südende übernimmt 1907 den Posten als zweite stellvertretende Vorsitzende des Frauenbundes und als Schriftführerin. Auch scheint sie für die Korrespondenz des Vereins zuständig zu sein: die Mitgliedsanfragen sollen an sie gerichtet werden.[4] Aber schon 1908 scheidet sie aus dem Frauenbund aus. In der Kolonie und Heimat wird ihr der „wärmste Dank“ dafür ausgesprochen, „dass sie vom ersten bis zum letzten Tage unermüdlich für unseren Bund in tatkräftigster Weise bemüht war.“[5] Gemeinsam mit ihrem Ehemann Arno Weitzenberg – einem Oberleutnant der „Schutztruppe“ – wandert sie selbst in das damalige „Deutsch-Südwestafrika“ (heute Namibia) aus. Am 28. April 1908 reisen sie, wie in den Dokumenten des Frauenbundes verzeichnet ist, gemeinsam mit ihrem Dienstmädchen Martha Loose nach Swakopmund, wo sie eine Straußenfarm gründen.[6] Auch wenn es in der Kolonie und Heimat heißt, dass Luise Weitzenberg „bei dem warmen Interesse, das sie für unsere Arbeit beseelt“ auch „in Südwest weiter für uns wirken“[7] wird, verlaufen sich ihre Spuren im Anschluss an die Ausreise.

Der Deutschkoloniale Frauenbund hingegen schließt sich 1908 der Deutschen Kolonialgesellschaft – einer der größten kolonialen Organisationen – an. Der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft ist erfolgreich und vergrößert sich. Während in der Frühphase vor allem Frauen aus Offizierskreisen – oftmals Ehefrauen von Angehörigen der kolonialen Truppen – den Frauenbund prägten, so verändert sich das Profil als Hedwig Heyl 1910 den Vorsitz übernimmt. Sie verfügt über Kontakte in die bürgerliche Frauenbewegung; 1911 tritt der Frauenbund der Dachorganisation der bürgerlichen Frauenbewegung bei. Die Organisation des Bundes wird straffer und die Werbung verstärkt.[8] So vervierfacht sich die Anzahl der Mitglieder zwischen 1909 und 1914 auf 18.700.[9] In „Deutsch-Südwestafrika“ gründet der Frauenbund eine Hauswirtschaftsschule und ein Jugendheim mit angeschlossenem Kindergarten – entsprechend der rassistischen Logik des Bundes nur für weiße Kinder.[10] In dieser Phase, in der sich der Frauenbund vergrößert, vernetzt und Anschluss an die bürgerliche Frauenbewegung findet, bleiben die Ziele des Bundes die Gleichen und seine Programmatik rassistisch.

Bis 1913 werden 1.500 Frauen mit der Unterstützung des Frauenbundes in die Kolonien – vor allem nach „Deutsch-Südwestafrika“ ausgesandt.[11] Einige der Frauen kommen auch aus Steglitz-Zehlendorf. So beginnt Frieda Lindenau aus Groß-Lichterfelde im Jahr 1908 die Arbeit bei einem Farmer in Kreyfontein[12] und Elsa Fröbel aus Schlachtensee kommt „in Dienst bei Herrn Gastwirt Leuffgen in Windhuk.“[13]

Nach dem Ersten Weltkrieg und dem „Verlust“ der deutschen Kolonien besteht der Frauenbund weiter, um den „kolonialen Gedanken“ wach zu halten. Obwohl er anfänglich Mitglieder verliert, kommt es zu einem starken Aufschwung im Zuge des kolonialrevisionistischen Engagements für die „verlorenen“ Kolonien. Der Frauenbund hält die Verbindungen zu den sogenannten „Kolonialfrauen“ in den ehemaligen deutschen Kolonien und unterstützt die bestehenden Einrichtungen, damit die deutschen Kinder „unlösbar in ihrem Deutschtum verwurzelt und gegen fremde Einflüsse gefestigt werden.[14]

1920 übernimmt Hedwig von Bredow den Vorsitz, den sie 1932 an Agnes von Boemcken abgibt.[15] Auch sie lebt im Bezirk Steglitz-Zehlendorf in der Karlsstraße 97 in Lichterfelde-West Und auch sie ist mit einem Oberleutnant verheiratet.[16] Während die Männer im Militär -oftmals in der sogenannten „Schutztruppe“ – waren, engagierten sich die Frauen entsprechend der Vorstellungen weiblicher Aufgaben im rassistischen kolonialen Projekt. Sehr deutlich wird hier die Verbindung zwischen der im Umfeld der Hauptkadettenanstalt in Lichterfelde ansässigen Oberschicht und dem deutschen Kolonialismus im Bezirk Steglitz-Zehlendorf.

Schon 1934 veröffentlicht der Frauenbund unter dem Vorsitz von Agnes von Boemcken ein Pamphlet, in dem erklärt wird, dass „eine grundlegende Umstellung“ der Arbeit im Nationalsozialismus nicht erforderlich gewesen sei: „Galt doch seit 1906 unsere Arbeit der Erhaltung des deutschen Geistes und des deutschen Blutes auf fernen Außenposten.“[17]

1936 wird der Frauenbund in den neu gegründeten NS-Reichskolonialbund eingegliedert. Ihre „koloniale Frauenarbeit“ setzen die Mitglieder hier fort, bis dieser 1943 seine Tätigkeit einstellt.[18]

provided by Fachbereich Kultur Steglitz-Zehlendorf

Mirja Memmen

ORT

Langestraße 25

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Zitieren des Artikels

Mirja Memmen: Der Deutsch-Koloniale Frauenbund. In: Kolonialismus begegnen. Dezentrale Perspektiven auf die Berliner Stadtgeschichte. URL: https://kolonialismus-begegnen.de/geschichten/der-deutsch-koloniale-frauenbund/ (06.06.2023).

Literatur & Quellen

[1] Im rassistischen Originalzitat heißt es, dass das „schwer erworbene Land“ ansonsten in Gefahr stünde, „vollständig zu verburen und zu verkaffern, wenn das Mutterland nicht helfend eintrat, denn ein emporwachsendes Geschlecht von Mischlingen drohte von vorneherein das Deutschtum im Keine zu ersticken.“ (Vgl. von Liliencron, Adda: Krieg und Frieden. Erinnerungen aus dem Leben einer Offiziersfrau, Berlin 1912, S. 299).

[2] Dietrich, Anette: Weiße Weiblichkeiten. Konstruktionen von „Rasse“ und Geschlecht im deutschen Kolonialismus, Bielefeld 2015, S. 242

[3]Kolonie und Heimat, zitiert aus: Carstens, Cornelia / Vollherbst, Gerhild: „Deutsche Frauen nach Südwest!“ – Der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft, in: Heden, Ulrich van der / Zeller, Joachim (Hrsg.): Kolonialmetropole Berlin. Eine Spurensuche, Berlin 2002, S. 50-56, hier: S. 50.

[4]BArch, R 8023/153, S. 38,47 ff.

[5]Kolonie und Heimat, Jahrgang 1 Nr. 16 (1907-1908), S. 12.

[6] BArch R 8023/176, S. 407.

[7]Kolonie und Heimat Jahrgang 1 Nr. 16 (1907-1908), S. 12.

[8] Dietrich 2015, S. 270-271.

[9] Dietrich 2015, S. 27.

[10] Dietrich 2015, S. 270.

[11] Dietrich 2015, S. 259.

[12] BArch 0823/176, S. 327.

[13] BArch 8023/176, S. 841.

[14]Carstens/Vollherbst 2002, S. 55 / Kundrus 2015, S. 282.

[15] Carstens/Vollherbst 2002, S. 56.

[16]BArch R 57/4148, Broschüre Koloniale Frauenarbeit. Jahresbericht 1933/34.

[17]BArch, R 57 / 4148, Broschüre Koloniale Frauenarbeit. Jahresbericht 1933/34.

[18] Carstens/Vollherbst 2002, S. 56.

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