Die Schöneberger Munumé und Makembe
Menschen aus den Kolonien kamen aus unterschiedlichen Gründen vorübergehend oder dauerhaft nach Berlin. Manche kamen als Missionsschüler, zur Ausbildung oder als Dienstpersonal rückkehrender Kolonialmilitärs und -beamter. Andere blieben nach ihrer Teilnahme an einer sogenannten ‚Völkerschau‘ in der Stadt. Nach der Jahrhundertwende begleiteten auch einige Frauen aus den ozeanischen Kolonien ihre deutschen Ehemänner zurück nach Deutschland. Die meisten sogenannten ‚Kolonialmigrant_innen‘ waren jedoch Männer. Sie hatten mit rassistischer Ausgrenzung und vielfachen Schwierigkeiten bei der Wohnungs- und Arbeitssuche zu kämpfen. Obwohl einige als Handwerker oder wie Martin Dibobe als U-Bahn-Schaffner eine kleinbürgerliche Existenz aufbauen konnten, waren viele auf prekäre Beschäftigungen auf Jahrmärkten, im Gastgewerbe oder als Statist_innen beim Film angewiesen. Dabei wurden sie meist aufgrund ihrer vermeintlich ‚exotischen‘ Hautfarbe gesucht und eingestellt.
Aus Schöneberg ist die Geschichte Wilhelm Munumés und Peter Makembes zumindest in Bruchstücken überliefert. Beide wurden zu Beginn der 1890er Jahre in der deutschen Kolonie Kamerun geboren und gehörten zu einer kleinen Gruppe von Migrant_innen, die sich eine dauerhafte Existenz in Deutschland aufbauten. Aus den überlieferten Bruchstücken lässt sich auch die alltägliche Erfahrung der beiden zwischen persönlichem Integrationswillen und gesellschaftlicher Ablehnung und Ausgrenzung erahnen.
Wilhelm Edimo Munumé kam vor dem Ersten Weltkrieg zunächst in der Rolle eines Dieners nach Hamburg. Nach einer Zwischenstation in Wiesbaden ließ er sich Anfang der 1920er-Jahre in der Großgörschenstraße nieder. Schöneberg zählte neben Charlottenburg – beide waren erst seit 1920 Teil von Berlin – zu einem wichtigen Wohnort für Migrant_innen aus afrikanischen Ländern. Dabei waren es oft nicht die wohlhabenden Viertel der ehemaligen Vorstädte, sondern die ärmeren Bereiche wie etwa das Vergnügungsviertel rund um den Nollendorfplatz, in dem sich Schwarze Menschen im schon damals umkämpften Wohnungsmarkt niederlassen konnten.
Munumé versuchte wiederholt, Arbeit in der expandierenden Filmwirtschaft zu finden. Von seiner Arbeitssuche zeugen Anzeigen in Filmzeitschriften und sogar Werbepostkarten, mit denen er geschickt auf die Erwartungen der deutschen Mehrheitsgesellschaft einging. In seinem Fall ist überliefert, dass er in den Filmen „Herrin der Welt“ (1919/20) sowie „Ich hatt‘ einen Kameraden“ (1926) mitwirkte. In vielen Fällen ist eine Identifizierung von Schwarzen Schauspielenden und ihren Rollen jedoch erschwert, weil diese nur selten als Mitwirkende namentlich gelistet wurden. Schwarze Schauspielende waren mitunter auch begehrt, weil es nur eine begrenzte Anzahl Schwarzer Menschen als Statist_innen und Schauspielende gab. Munumés wiederholtes Werben zeugt aber auch davon, dass das Filmgeschäft ein unsicheres war, das höchstens zu einem unregelmäßigen Einkommen führen konnte.
In der Großgörschenstraße wohnte Munumé unter der gleichen Adresse wie der Kameruner Peter Mukuri Makembe, einem Kaufmann, der für eine Ausbildung nach Deutschland gekommen war. Zwischen 1912 und 1918 arbeitete Makembe dann an der Hamburger Universität als Sprachgehilfe für Duala, einer in Kamerun gesprochenen Sprache. Nebenbei engagierter er sich für den Afrikanischen Hilfsverein, eine der ersten Selbsthilfeorganisationen zur Unterstützung von Kolonialmigrant_innen in Deutschland. Gegen Ende des ersten Weltkrieges gründete er schließlich zeitweilig eine Importfirma für tropische Früchte.
Ende 1926 – so erzählen uns weitere Quellenfunde ihrer gemeinsamen Geschichte – wurden Munumé und Makembe zusammen wegen Geldfälschung vor dem Kriminalgericht Moabit zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Nach mehreren frustrierenden Erfahrungen auf dem Berliner Arbeitsmarkt nutzten die beiden schließlich das Unwissen und die Klischeevorstellungen der Berliner_innen, um im Namen eines nicht-existenten afrikanischen Königreichs 5-Pfund-Noten herzustellen. Ihr Anliegen war zunächst erfolgreich: Mit gefälschten Legitimationspapieren gelangten sie an die Materialien zum Druck der Noten, jedoch fiel Munumé dann beim Eintauschen eines solchen Scheins auf und wurde kurze Zeit später verhaftet. Die Historiker_innen Robbie Aitken und Eve Rosenhaft schätzen in ihrer Studie zu Schwarzen Deutschen diese Betrügerei als eine Überlebensstrategie ein. Gleichwohl äußerte sich ein Teil der damaligen Schwarzen Community besorgt über die negativen Auswirkungen des Prozesses auf das Ansehen der Schwarzen Minderheit. Auch die Deutsche Gesellschaft für Eingeborenenkunde, die der Schwarzen Minderheit in manchen Fällen zumindest eine kleine finanzielle Unterstützung für den Lebenserhalt zukommen ließ, überlegte im Anschluss an die Verhaftung, diese insgesamt einzustellen. Die Haftstrafe der beiden fiel zeitgenössischen Beobachter_innen zufolge gering aus – Munumé wurde zu 37 Monaten und Makembe zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Der Richter begründete sein Urteil in mutmaßlich rassistischer Manier damit, dass er nicht glaube, die beiden hätten die Ernsthaftigkeit ihres Vergehens einschätzen können.
Munumé und Makembe sollten nach ihrer Haftverbüßung nach Kamerun abgeschoben werden. Makembe gelang jedoch in Rotterdam die Flucht vom Schiff und er kehrte nach Berlin zurück. 1935 verließ er Deutschland gen Frankreich, gründete ein Geschäft in Straßburg und heiratete wenige Jahre vor seinem Tod (zwischen 1939 und 1942) die deutsche Erna Pusch, die nach der Hochzeit den Namen Erna Makembe trug.
Im Falle der angedrohten Abschiebung Munumés intervenierte die linksliberale Liga für Menschenrechte zu seinen Gunsten, allen voran der ebenfalls Schwarze Deutsche Joseph Bilé, der eine Zeit lang in der benachbarten Bülowstraße 39 wohnte. Nach seiner verhinderten Abschiebung engagierte sich Munumé in den frühen 1930er-Jahren in antikolonialen Organisationen. Nach der Emigration aus dem nationalsozialistischen Deutschland und einer Zwischenstation in Belgien verstarb Munumé im Februar 1940 in den Niederlanden kurz vor der Besetzung des Landes.
- Dieser Text ist die überarbeitete Fassung eines Kapitels aus der Ausstellung „Forschungswerkstatt: Kolonialgeschichte in Tempelhof und Schöneberg“, die das Schöneberg Museum vom 19.5. bis 29.10.2017 zeigte.
Stefan Zollhauser
Johanna Strunge
ORT
Wohnort der beidenHEUTE
Großgörschenstraße 31Zitieren des Artikels
Stefan Zollhauser Johanna Strunge Die Schöneberger Munumé und Makembe. In: Kolonialismus begegnen. Dezentrale Perspektiven auf die Berliner Stadtgeschichte. URL: https://kolonialismus-begegnen.de/geschichten/die-schoeneberger-munume-und-makembe/ (12.06.2024).
Literatur & Quellen
Robert Aitken/Eve Rosenhaft: Black Germany. The making and unmaking of a diaspora community, 1884–1960, Cambridge 2013.
Tobias Nagl: Die unheimliche Maschine. Rasse und Repräsentation im Weimarer Kino, München 2009.
Tags