Hein, Lehmann & Co. AG: Eisenbahnanlagen für Togo
Die Beiträge des Museums Reinickendorf, die auf der Seite „Kolonialismus begegnen“ präsentiert werden, wurden sorgfältig im Kontext der Sonderausstellung „Koloniale Spuren in der Industriegeschichte Reinickendorfs“ kuratiert. Sie wurden eingehend geprüft und für die digitale Präsentation überarbeitet. Wir empfehlen, den umfassenden einleitenden Text zur kolonialen Vergangenheit Reinickendorfs (Link) vorab zu lesen.
Hein, Lehmann & Co. AG: Eisenbahnanlagen für Togo
Firma: Hein, Lehmann & Co. AG
Gründung: 1877, 1888 Gründung der Hein, Lehmann & Co. AG
Reinickendorf: 1897 Erwerb eines Grundstücks am Bahnhof Reinickendorf-Dorf von 6 Hektar, dort Fabrikneubau und ab 1899 Produktion
Produktion: Fabrikation von Eisenkonstruktionen, Brücken, Trägerwellblechen
Mitarbeiter: 1889 ca. 200 in Berlin, 1912 ca. 550 in Berlin
Im Jahr 1877 gründeten Max Hein und Anton Lehmann eine Wellblechfabrik in Reinickendorf, die sich auf das Herstellen von Trägern und Eisenkonstruktionen spezialisiert hatte. Kurze Zeit später wurde die Kommanditgesellschaft in eine Kommanditgesellschaft mit Sitz in der Berliner Chausseestraße 113 umgewandelt. (1) Die zunehmende Expansion der Produktionsstätten führte zu einer Umwandlung in die Aktiengesellschaft Hein, Lehmann & Co. AG, die bis 1906 den Zusatz „Trägerwellblech-Fabrik u. Signalbauanstalt“ trug. Die Firmengründer – der Kaufmann Max Hein, der Ingenieur Anton Lehmann–, der Kaufmann Fritz Griebe, der Kaufmann Emil Knorr, der Kaufmann Eduard Krüger und der Kaufmann Johannes Friedemann hielten sämtliche Aktien.
Die Aktiengesellschaft übernahm im Jahre 1888 die Trägerblechfabrik, die Verzinkerei und den Signalbau von Hein, Lehmann & Co. in Berlin. 1889 wurde die Produktion von Eisenkonstruktionen, die den Umfang des Berliner Stammhauses bei weitem übertraf, nach Düsseldorf verlagert. Im selben Jahr erwarb Julius Schaefer die Firma für Eisenkonstruktionen in Düsseldorf-Oberbilk und verlegte einen Teil der Berliner Werkstätten für Eisenkonstruktionen dorthin. Knapp zehn Jahre später, 1897, erwarb das Unternehmen für 124.000 Mark ein 6,2 Hektar (62.000m²) großes Grundstück am Bahnhof Reinickendorf-Dorf für das Berliner Stammhaus. Hier entstand eine moderne Fabrik, die vorrangig dem Eisenhoch- und Brückenbau sowie dem Signalbau diente. Das Gelände an der Chausseestraße wurde 1904 verkauft.
Die Besonderheit des Unternehmens, die moderne Verwendung des Baustoffs Eisen, wurde auf der großen Berliner Gewerbeausstellung 1896 mit der Präsentation von Wellblechbauten vorgestellt. Die gute Reputation und die Werbung führten zu Großaufträgen: 1908/09 wurde die nördliche Rheinbrücke bei Köln erbaut, 1910 die Rheinbrücke bei Hamm, 1928 der Funkturm in Berlin.
Nach zahlreichen nationalen und internationalen Firmenzukäufen und der Gründung von Tochtergesellschaften ist das Unternehmen seit 2012 als Hein, Lehmann GmbH, Krefeld tätig.
Die Kolonie Togo
Zeitraum deutsche Kolonie: 1884 – 1949
Fläche: ca. 87.000 km²
Bevölkerung: ca. 1 Million (um 1900), hinzu kamen 350 Deutsche (um 1913)
Wirtschaft: Handels- und Plantagenwirtschaft, Baumwolle, Kakao, Kaffee, Kautschuk; Import v.a. von Eisenbahnanlagen, Maschinen
Militär: Polizeitruppe mit 550 Einheimischen, zwei deutsche Offiziere, sechs deutsche Unteroffiziere
Die kleinste deutsche Kolonie in Afrika, Togo, lag an der sogenannten Goldküste Westafrikas und erstreckte sich im Wesentlichen langgestreckt von Norden nach Süden. Sie grenzte im Westen an die französische Besitzung Dahomé (heute Benin) und im Osten an britische Kolonien, die sogenannte Goldküste. Heute umfasst das Gebiet der ehemaligen Kolonie die Länder Togo und den östlichen Teil Ghanas. (2) Um 1900 lebten etwa eine Million Menschen, vor allem Angehörige der Völker der Ewe, Guang und Tschi, auf dem Gebiet der Kolonie, hinzu kamen etwa 350 Deutsche (um 1913). (3)
Mitte des 19. Jahrhunderts etablierten sich verschiedene deutsche Handelshäuser, vor allem aus Bremen und Hamburg, an der sogenannten Sklavenküste. Gehandelt wurden Alkohol, Waffen und Konsumgüter. Das Hauptgeschäft der Küstenregion bestand im Handel mit schwarzafrikanischen Sklaven, die in Teilen Westafrikas, wie z.B. im Königreich Dahomey, heute Republik Benin, betrieben wurde. Etwa zur gleichen Zeit, um 1847, begann die Norddeutsche Missionsgesellschaft aus Bremen ihre Tätigkeit unter den Ewe an der Goldküste, und 1892 begann auf katholischer Seite die katholische Steyrer Missionsgesellschaft aktiv mit der Missionierung der Ewe im Land. (4)
Durch den 1884 zwischen dem Afrikareisenden und deutschen Generalkonsul Dr. Gustav Nachtigal (1834-1885) und dem togoischen König Mlapa geschlossenen „Schutzvertrag“ wurde das Küstengebiet „unter deutschen Schutz gestellt“. Der schmale Landstreifen wurde in den folgenden Jahren durch Verträge mit lokalen Dorfoberhäuptern und durch Verhandlungen mit den westlich des Gebietes stehenden Franzosen und den westlich agierenden Engländern, wie sie in den Grenzverträgen mit Frankreich 1887 und England 1888 ihren Niederschlag fanden, immer weiter ausgedehnt. (5) Mit der Ausdehnung des kolonialen Raumes in das Hinterland Togos standen fruchtbare Gebiete zur Verfügung, und Baumwolle, Kaffee, Kakao, Kautschuk, Erdnüsse, Kokos und Sisalhanf konnten jetzt direkt aus dem Hinterland von dort eigens angelegten Plantagen gewonnen werden.
Eine Besonderheit der, aus deutscher Sicht, „Musterkolonie“ Togo bestand unter anderem darin, dass in Togo nie reguläres Militär eingesetzt wurde, da es zu einer relativ friedlichen Integration der lokalen Eliten gekommen war. Es gab hier also keine „Schutztruppe“, sondern nur bewaffnete Polizei. Die koloniale Durchdringung führte zu zahlreichen kleinen Aufständen und es bedurfte an die 50 Militärexpeditionen, um das beanspruchte Gebiet effektiv zu erobern. (6) Im Gefechtskalender der Polizeitruppe in Togo sind bis 1899 fünfzehn militärische Auseinandersetzungen angegeben. (7)
Ihren Namen als „Musterkolonie“ erhielt Togo, eine typische Handelskolonie, auch wegen seiner relativ erfolgreichen Wirtschaft. Im Gegensatz zu anderen deutschen Kolonien näherte sich nur Togo einer ausgeglichenen Handelsbilanz an. Der Ausbau der Infrastruktur war ein wesentlicher Faktor der territorialen Inbesitznahme. Um die Wirtschaft zu stärken, wurden Eisenbahnlinien gebaut, die die Küste mit dem Hinterland verbanden. Sie unterstützen den lokalen Handel und trugen zu einer deutlichen Verbesserung der Handelsgeschäfte bei, dienten aber auch dem Postverkehr. Zwischen 1905 und 1911 wurden drei Eisenbahnlinien gebaut: die 44 Kilometer lange Strecke von Lomé nach Alecho (sogenannte Kokosnussbahn), 1907 die 109 Kilometer lange Strecke von Lomé nach Palime (Kaffee- oder Kakaobahn) und schließlich 1911 die 167 Kilometer lange Verbindung von Lomé nach Atakpame als sogenannte Hinterland- oder Baumwollbahn. (8)
Facts & Files
ORT
Flottenstraße 21-22 13407 BerlinHEUTE
Flottenstraße 21-22 13407 BerlinZitieren des Artikels
Facts & Files : Hein, Lehmann & Co. AG: Eisenbahnanlagen für Togo. In: Kolonialismus begegnen. Dezentrale Perspektiven auf die Berliner Stadtgeschichte. URL: https://kolonialismus-begegnen.de/geschichten/hein-lehmann-co-ag-eisenbahnanlagen-fuer-togo/ (05.11.2024).
Literatur & Quellen
(1) Denkschrift zum 25jährigen Bestehen der Hein, Lehmann & Co. Aktiengesellschaft Eisenkonstruktionen, Brücken- und Signalbau in Berlin-Reinickendorf und Düsseldorf-Oberbilk; [1888 – 1913], Düsseldorf 1913, S. 2.
(2) Jan Antosch: Die deutsche Kolonie Togo, URL: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/aussenpolitik/die-deutsche-kolonie-togo.html.
(3) Winfried Speitkamp: Deutsche Kolonialgeschichte. Reclam Sachbuch, Aktualisierte und erweiterte Ausgabe, Ditzingen 2021, S.39f.; Jan Antosch: Statistische Angaben zu den deutschen Kolonien, URL: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/aussenpolitik/statistische-angaben-zu-den-deutschen-kolonien.html.
(4) Martin Schlunk: Meine Reise durchs Eweland. Die Norddeutsche Mission in Togo, Band Bd. 1, Bremen 1910.
(5) Die deutsche Kolonie Togo, URL: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/aussenpolitik/die-deutsche-kolonie-togo.html.
(6) Winfried Speitkamp: Deutsche Kolonialgeschichte. Reclam Sachbuch, Aktualisierte und erweiterte Ausgabe, Ditzingen 2021, S. 50.
(7) Peter Sebald: Togo 1884 – 1914, Eine Geschichte der deutschen „Musterkolonie“ auf der Grundlage amtlicher Quellen; mit einem Dokumentenanhang. Studien über Asien, Afrika und Lateinamerika, Band 29, Berlin 1988. S. 172-173.
(8) Deutsches Kolonial-Handbuch, Nach amtlichen Quellen bearbeitet, 13. Ausg., Berlin 1913, S. 11. Die deutsche Kolonie Togo, URL: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/aussenpolitik/die-deutsche-kolonie-togo.html. Sebastian Conrad: Deutsche Kolonialgeschichte. C.H.Beck Wissen, 4., durchgesehene Auflage, Originalausgabe, München 2019, S.36f.
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